Am Wahlpodium im Kofmehl wurde den drei Ständeratskandidaten auf den Zahn gefühlt
«3 für 1»: Drei Männer kämpfen um einen Sitz im «Stöckli». Roland Borer, Roland Fürst und Roberto Zanetti erhielten gestern Abend im Solothurner Kofmehl Schützenhilfe von prominenten «Götti».
STEFAN FRECH / MARCO ZWAHLEN
Licht an, Fanfare los. Da stehensie, die drei Herren, auf denen soviele Erwartungen ruhen. Etwasungelenk stützen sie sich auf die Stehpulte auf der Bühne des Kofmehls. Sie erinnern die drei Ständeratskandidaten daran, dass sie sich nicht auf einen gemütlichen Abend einstellen können. Schliesslich sind rund 180 Augenpaare auf sie gerichtet und zwei Journalisten warten, um ihre «bösen Fragen» an den Mann zu bringen.
Zunächst dürfen sich aber Roland Borer (SVP), Roland Fürst (CVP) und Roberto Zanetti (SP) etwas zurücklehnen und andere für sich sprechen lassen. Zwei
Minuten hatten die von ihnen ausgewählten «Götti» Zeit, um das Publikum von den Vorzügen ihres persönlichen Freundes zu überzeugen. SVP-Kantonsrätin
Colette Adam bezeichnete Borer als einen «Gentleman und Vollblutpolitiker», der sagt, was er denkt, und sich durch Klugheit, Erfahrung und menschliche Reife
auszeichnet. Rolf Kissling, FdP-Präsident des kantonalen Gewerbeverbands, legte sich als Götti von Fürst ebenso engagiert ins Zeug: Der CVP-Kandidat sei
ein kämpferischer, belastbarer und humorvoller Mensch, der sich für gute Rahmenbedinungen für die Wirtschaft einsetze. Schriftsteller Peter Bichsel erinnerte
daran, wie Zanetti sich erfolgreich für den Erhalt des Stahlwerks Gerlafingen eingesetzt hatte. «Roberto liebt die Menschen, ich liebe ihn dafür.»
Viele Zumutungen
Nun war den Kandidaten genug Honig um den Mund gestrichen worden. «Jetzt verteilen wir saure Äpfel», läutete Urs Mathys, stv. Chefredakteur dieser Zeitung, eine erste Frage-Runde ein. Zusammen mit Andrea Affolter, Redaktorin Regionaljournal Aargau/Solothurn von Schweizer Radio DRS, liess er die «bösen Fragen» auf die drei Kandidaten niederprasseln. Ob Fürst den abgewählten Regierungsrat Zanetti ebenfalls als nicht zumutbaren Kandidaten erachte, wie das ein anonymes Pro-Fürst-Komitee behauptet? Nein, er distanziere sich von diesem Inserat, wehrte sich Fürst. Ob Borer eine Zumutung sei, weil er bereits viermal erfolglos bei einer Majorzwahl kandidiert habe? Nein, diesmal gehe es um ein Parlamentsamt. Und der «nicht zumutbare» Zanetti erinnerte daran, dass er
mit einem «intergalaktischen» Resultat in den Kantonsrat gewählt worden sei. Ein fulminantes politisches Comeback also, nachdem er über die Pro-Facile-
Affäre gestolpert war.
Langsam wurde es den dreien heiss. Sie zogen ihr Jackett aus, Zanetti krempelte die Hemdsärmel hoch. Und jetzt mussten Borer, Fürst und Zanetti ihre Rezepte gegen die steigenden Gesundheitskosten abgeben. Einig sind sie sich, dass es eine überkantonale Spitalplanung braucht. Während der SP-Mann sehr gut mit einer Einheitskrankenkasse leben könnte, ob staatlich oder nicht, fordert Borer, der mit seinem Sachwissen punkten konnte, mehr Wettbewerb. Fürst setzt seine Hoffnungen auf die Aufhebung des Zulassungsstopps für Hausärzte.
Pfleglicher Umgang
Nach den Lieblingsmusik-Stücken der drei Kandidaten erklangen weniger schöne Töne: Die Wirtschaftskrise stand im Raum. Hier meldete sich auch das Publikum zu Wort. Unternimmt der Staat genug gegen die Krise, lautete eine Frage. Fürst und Borer äusserten sich kritisch gegenüber Konjunkturprogrammen.
Auch für Zanetti, der sich sehr wirtschaftsfreundlich gab, sind solche Programme nicht «der Weisheit letzter Schluss». Der Staat könnte jedoch die Krise als Chance nutzen und einen Innovationsschub unterstützen, etwa im Bereich der erneuerbaren Energien. Wer während des fast zweistündigen Podiums persönliche
Attacken erwartet hatte, sah sich getäuscht: Borer, Fürst und Zanetti gingen sehr sehr pfleglich miteinander um.
Quelle: Solothurner Zeitung, 30. Oktober 2009, Seite 21