SoZ: Krawatte ist von jetzt an Pflicht

Nach dem Tod von Ständerat Ernst Leuenberger im vergangenen Juni blieb dessen Sitz mehr als ein halbes Jahr vakant. Gestern nahm Leuenbergers Wunschnachfolger Roberto Zanetti auf seinem Stuhl Platz.


Andreas Toggweiler

Für Roberto Zanetti war es ein bewegender Moment, als er gestern die von Ratssekretär Philippe Schwab vorgetragene Eidesformel nachsprach. Denn er durfte genau auf jenem Sessel Platz nehmen, auf dem auch Ständeratslegende Leuenberger bis fast zuletzt sass. Rechts flankiert von Claude Janiak (SP/BL), links jenseits des Gangs von Géraldine Savary (SP/VD). Die Rückkehr ins Bundeshaus war für den Gerlafinger kein Déjà-vu, obwohl er als Nationalrat bereits im Parlamentsgebäude ein- und ausging. «Es ist definitiv ein anderes Gefühl, Ständerat zu sein», erklärt er während der Zugfahrt von seinem Wohnort zum gestrigen ersten Sessionstag in Bern. «Als Vertreter eines Kantons hat man mehr Verantwortung, und diese möchte ich auch möglichst gut wahrnehmen.» – «Ja, ich war heute Morgen beim Aufstehen auch etwas nervös», meint Zanetti auf die entsprechende Frage.

Neue «Berufskleidung»
Äusserlich sichtbares Zeichen dieser Rolle ist auch die Kleidung. Im «Stöckli» ist Anzug mit Krawatte Pflicht. «Damit habe ich überhaupt keine Probleme», meint Zanetti (55), der als junger Genosse gelegentlich recht «casual» auftrat und auch damit kokettierte. «Für mich ist der Anzug hier eine Art Berufskleidung und der Situation völlig angemessen.» Immerhin: Eine schön rote Krawatte und ein rotes Handy markieren den Auftritt des «roten Röbu», den auch sehr viele Bürgerliche gewählt haben. Natürlich werde er weiterhin reinrassig sozialdemokratische Politik betreiben, versichert er, versehen aber mit der Eigenschaft der

Gesprächsbereitschaft und Lösungsorientierung.
Im Ständerat ohne Redezeitbeschränkung können sich begnadete Rhetoriker leicht eine Plattform verschaffen. Der Versuchung, überall seinen Senf dazuzugeben, werde er nicht erliegen, versichert Zanetti. Die vielfältigen Dossiers, die man als Ständerat beherrschen muss, erfordern entsprechende Sachkenntnis, und die wolle er sich auch zuerst aneignen.

Kommissionen noch offen
Gestern blieb noch offen, hinter welche Dossiers sich Zanetti zuerst knien wird. Wegen Kollisionen der Sitzungszeiten ist noch offen, in welchen Kommissionen er sitzen wird. Weil Rochaden nötig sind, werde sich dies erst im Lauf der Session ergeben. Diese ist reich befrachtet, beispielsweise mit der Abzocker-Initiative und Sondersessionen zur Arbeitslosigkeit und zur Personenfreizügigkeit. «Gerade hier hebt sich der Ständerat wohltuend vom Nationalrat ab», erklärt Zanetti. «Es gab auch schon eine Sondersession ohne Wortmeldung. Wenn es nämlich nichts zu sagen gibt, wird hier auf parteipolitisches Schaulaufen verzichtet.» «Die beste Parlamentskammer der Welt», hat Rolf Büttiker, Zanettis freisinniger Solothurner Ratskollege, den Ständerat einmal genannt. Dass gerade Ernst Leuenberger ihn nach dem herben Rückschlag seiner Abwahl aus der Solothurner Regierung ermutigt habe, wieder in die Politik einzusteigen, bezeichnet Zanetti als «Schlüsselerlebnis», es doch nochmals zu versuchen. Unter dem Eindruck seiner Krankheit habe Leuenberger ihn, Zanetti, als Wunschnachfolger bezeichnet. «Ich habe dennoch lange mit diesem Entscheid gerungen.»
Schicksalswahl Kantonsrat

Die Kantonsratswahlen 2009 boten eine gute Möglichkeit für einen Testlauf. Sie waren für Zanetti die eigentliche Schicksalswahl, wie er einräumt. «Eine Nichtwahl oder ein ganz knappes Resultat wären ein endgültiges Stoppsignal für die Politik gewesen.»

Quelle: MLZ; 2010-03-02

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