Rüstungsprogramm 2010

Zanetti Roberto im Ständerat am 29.9.2010:

Ich beantrage Ihnen, nicht auf den Entwurf 2 einzutreten. Ich möchte betonen, dass es sich dabei nicht um eine Fundamentalopposition, sondern wirklich um eine zeitlich befristete, fachlich und technisch begründete Opposition handelt. Wenn ich mir die Voten des Vormittags in Erinnerung rufe, muss ich sagen: Es ist ein laues Oppositionslüftchen, das Ihnen da um die Ohren weht, Herr Bundesrat. Sie können also beruhigt sein.
Zur zeitlichen Befristung: Sobald die Probleme, die unser Kommissionspräsident angetönt hat, nämlich die Probleme mit der Funkanlage und mit der Bordverständigungsanlage, eineindeutig gelöst sind, werde ich meine Opposition aufgeben, und zu diesem Zeitpunkt werde ich mich einer Beschaffung nicht mehr verschliessen.
Zur fachlichen Begründung meiner Opposition: Ich habe eine infanteristische Grundausbildung als Infanteriefunker absolviert und habe dann in einem motorisierten Infanterieregiment jeweils als Funker des Regimentskommandanten meine WK absolviert. Ich möchte erwähnen, dass immerhin drei der vier Regimentskommandanten, die jeweils durch mich mit ihren Truppenteilen in Funkkontakt standen, eine beachtliche Karriere gemacht haben: Zwei sind Korpskommandanten, einer ist Präsident der Ruag geworden; der Funker – also ich – hat es zwar militärisch nicht allzu weit, aber immerhin im zivilen Leben zum Militärdirektor gebracht. Eine gewisse Fachkompetenz würde ich mir also zusprechen. Jetzt zu meiner Kritik an der Beschaffung dieser geschützten Mannschaftstransportfahrzeuge: In der ursprünglichen Botschaft waren sie nicht vorgesehen. Der Bundesrat oder das VBS hat sich diese Zusatzbotschaft eigentlich einfach von der Kommission aufs Auge drücken lassen – oder musste sie sich aufs Auge drücken lassen – und hat diese Fahrzeuge dann in der Zusatzbotschaft vom 30. Juni anbegehren müssen. Dort steht in einer Fussnote – in der Regel, das gebe ich zu, lese ich Fussnoten nicht -, dass unter Umständen Probleme bestehen könnten, die Fahrzeuge mit Funkanlagen oder Bordverständigungsanlagen ausrüsten zu können. Bordverständigungsanlagen dienen dazu, dass der Fahrer mit den anderen Leuten seiner Equipe Kontakt aufnehmen kann.
Anlässlich einer Kommissionssitzung ist uns ein Faktenblatt der Armee vorgelegt worden. Ich hoffe, dass ich daraus zitieren kann, ohne dass ich damit das Kommissionsgeheimnis verletze. Auf die Frage, ob die vollständige Einsetzbarkeit und Führbarkeit dieser GMTF, also dieser Geschützten Mannschaftstransportfahrzeugen, gegeben sei, heisst es, die Fahrzeuge wären in ihrem Einsatz stark beeinträchtigt – also nicht nur beeinträchtigt, sondern stark beeinträchtigt -, durch die fehlenden Führungssysteme könnten die Fahrzeuge nicht im Verbund eingesetzt werden. Und weiter steht in diesem Faktenblatt, eine Führung, in Klammer Führbarkeit, wäre nicht möglich. Die Einsatzfähigkeit der Truppe wäre also nicht erhöht, weil nämlich diese Fahrzeuge in einem ernsthaften militärischen Einsatz schlicht und einfach nicht gebraucht werden können. Sollte die Beschaffung trotzdem durchkommen, könnte man die Fahrzeuge eigentlich nur für die Fahrschule benützen. Das scheint mir doch ein bisschen happig, Fahrschule mit doch beachtlichen Ungetümen zu machen.
Und jetzt komme ich auf meine infanteristische Grundausbildung zurück. Zwei Sachen sind mir in Erinnerung geblieben, ein paar Sachen habe ich vergessen. Eine Sache möchte ich mit Materialmaxime umschreiben, die andere mit Verbindungsmaxime. Die Materialmaxime besagt, dass militärisches Material jederzeit in einem einwandfreien Zustand sein muss, immer vollständig und funktionstüchtig sein muss. Ich habe ein einziges Mal in meiner militärischen Laufbahn diese Materialmaxime verletzt. Dann hat man mich in eine fünftägige „retraite“ geschickt; Kaserne La Poya, Untergeschoss. Dort habe ich das dann wirklich verinnerlicht. So gesehen wirkt die militärische Grundausbildung nach. Ich bin ein bisschen auf vollständiges und einsatzfähiges Material fixiert. 70 geschützte Mannschaftstransportfahrzeuge ohne Funkverbindung sind schlicht und einfach nicht einsatzfähig. Diese Materialmaxime wäre damit verletzt.
Zur Verbindungsmaxime: Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Funker von vier bedeutenden Regimentskommandanten war. Da hat man mir immer gesagt: Ein Truppenteil, zu dem man keine Funkverbindung hat, ist militärisch gesehen neutralisiert, wenn nicht sogar eliminiert.
Ich hoffe, dass Sie verstehen können, dass ich jetzt nicht Hand bieten kann, Fahrzeuge zu beschaffen, die eigentlich funktechnisch gesehen bereits neutralisiert oder allenfalls sogar eliminiert sind. Da muss ich mein Veto einlegen. Um es für die Nicht-Militärspezialisten, so wie ich einer bin, ein bisschen bildhaft darzulegen: Es wäre so, als ob man Militärsackmesser beschaffen und sagen würde, die Klingen würden dann in ein paar Jahren nachgeliefert. Also Entschuldigung, das macht weder militärisch noch sonst wie irgendeinen Sinn. Deshalb beantrage ich Ihnen, nicht darauf einzutreten.
Erlauben Sie mir noch eine persönliche Fussnote; Fussnoten sind ja nicht ganz unbedeutend: Wenn man eine ernstzunehmende Institution wirklich schwächen und ihr schaden will, dann muss man sie der Lächerlichkeit preisgeben. Ich sage Ihnen: Mit der Beschaffung von Fahrzeugen, mit denen man ausser Fahrschule nichts machen kann, militärisch nichts machen kann, setzt man die Armee, die Armeeführung und das Departement der Lächerlichkeit aus. Da will ich einfach nicht mitmachen, und ich will dafür nicht verantwortlich sein. Deshalb bitte ich Sie, meinem Nichteintretensantrag zuzustimmen. Sobald uns das VBS, die Rüstungsbetriebe und wer da alles etwas zu sagen hat versichern können, dass die Funk- und Bordverbindungsangelegenheit endgültig geregelt werden kann, werde ich mich einer Beschaffung nicht widersetzen.
Deshalb danke ich Ihnen, wenn Sie meinem Nichteintretensantrag zustimmen und damit die Armee vor der Lächerlichkeit schützen.

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