«Wenns brennt, dann brennts»

«Die Notwendigkeit ist absolut gegeben», so SP-Parteipräsidentin Evelyn Borer zur Prämienverbilligungsinitiative, über welche die Solothurner am 13. Februar abstimmen. Weshalb, legte die SP gestern in Solothurn dar. Die Initiative verlangt, dass der Kanton statt wie bisher 80 neu 120 Prozent des Bundesbeitrages an die Prämienverbilligung zahlt.
Auf Basis von 2010 heisst das in Zahlen: statt 56 neu 84 Millionen Franken pro Jahr – Tendenz steigend. Gleichzeitig sieht das Volksbegehren vor, dass das Parlament jährlich entscheiden kann, nur 100 Prozent auszuschütten.
«Ideologischer Mumpitz» der Gegner
Das gegnerische Komitee der bürgerlichen Parteien sowie Bauern-und Gewerbeverband wirft der SP vor, die Initiative sei eine Scheinlösung und ein Angriff auf den Mittelstand, da dieser die Prämienverbilligung allenfalls via Steuergelder finanzieren müsse (wir berichteten). «Das ist ideologischer Mumpitz», so Ständerat Roberto Zanetti. Davon ausgehend, die Mehrausgaben müssten mit einer Steuererhöhung von 3,8 Prozent finanziert werden, zeigte er auf: Bis weit in den Mittelstand wäre die höhere steuerliche Belastung in keinem Verhältnis zur Entastung durch die verbilligten Prämien. Demnach müsste etwa eine Familie mit zwei Kindern und einem steuerbaren Einkommen von 60 000 Franken neu zwar 108 Franken mehr Staatssteuer zahlen, erhielte aber je nach Alter der Kinder 1068 bis 1488 Franken mehr Prämienverbilligung. Umso mehr erstaune, dass der Bauernverband gegen die Initiative zu Felde ziehe. «Immerhin betrug 2009 das durchschnittliche landwirtschaftliche Einkommen je Betrieb 60 300 Franken.» so Zanetti. Die allermeisten Bauernfamilien würden also deutlich von einer Annahme der Initiative profitieren. «Direkt, indem gewissermassen eine Direktzahlung an die Krankenkassenprämien erfolgt. Indirekt durch die höhere Kaufkraft der Konsumenten.»
Davon würde im Übrigen auch das Gewerbe profitieren. «Es ist deshalb fraglich, ob die Exponenten von Bauern- und Gewerbeverband tatsächlich die objektiven Interessen ihrer Mitglieder vertreten oder ob sie nicht ganz einfach in ihren ideologischen Schützengräben gefangen sind.» Zum Vorwurf der Scheinlösung meinte Zanetti: Prämienverbilligungen seien die «Feuerwehreinsätze» im lodernden Gesundheitswesen, wirkungsvolle und absolut notwendige Kostensenkungsmassnahmen die «Brandprävention». Und: «Wenns brennt, dann brennts. Und hier brennts», so der Ständerat.
Anna Rüefli verwies als Mitglied der kantonsrätlichen Sozial- und Gesundheitskommission darauf, dass bereits heute das sozialpolitische Ziel des Bundesrates als Vorgabe für die Prämienverbilligung vom Kanton nicht erfüllt werden könne. Demnach dürfe die Prämienbelastung für einen Haushalt acht Prozent des steuerbaren Einkommens nicht übersteigen. Ergänzend hielt Susanne Schaffner, Präsidentin der kantonsrätlichen Finanzkommission, fest: Ab 2012 verschärfe sich die Situation, da der Kanton dann zulasten der Prämienverbilligung wieder die Verlustscheine finanzieren müsse. Schaffner betonte, dass sich der Kanton die Mehrausgaben leisten könne.
Seit 2008 geht nichts mehr
Zur Befürchtung der Initiativgegner, je höher die Prämienverbilligung sei, desto tiefer sei das Kostenbewusstsein der Bezüger, meinte Kantonsrat und Arzt Jean-Pierre Summ: «Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen keinen Zusammenhang zwischen tiefen Prämien und erhöhtem Konsum von Dienstleistungen im medizinischen Bereich.» Fraktionschef Markus Schneider wiederum betonte, dass die SP bei der Prämienverbilligung seit Jahren eine konstante, gradlinige Politik verfolge und damit auch Verbesserungen erreicht habe. Seit 2008 habe die bürgerliche Mehrheit im Kantonsrat jegliche Erhöhung abgelehnt. «Jetzt ist das Volk gefragt.»
Quelle: Solothurner Zeitung vom 29.Januar 2010, Seite 24, Text & Bild Marco Zwahlen