Sicheres Wohnen im Alter. Volksinitiative

Zanetti Roberto (S, SO): Ich übernehme die Stellungnahme für Kollege Berset, der erkrankt ist. Das Ganze hat mich relativ kurzfristig erwischt. Deshalb ist es kein äquilibriertes Referat, sondern ich werde eher bruchstückhaft das darlegen, was mir aus den Verhandlungen in der Kommission im Kopf geblieben ist. Immerhin hat der Kommissionssprecher und Vertreter der Mehrheit ausführlich und wie immer brillant dargelegt, wie die Ausgangslage ist, und etwas hat man auf Anhieb verstanden: Eine Vereinfachung des Steuersystems ist es, auch meines Erachtens, nicht.
Sie kennen den jährlichen Ärger, den Sie haben, wenn Sie die Steuererklärung ausfüllen. Auf der linken Seite – das ist mindestens in unserem Kanton so – müssen Sie plötzlich ein Einkommen deklarieren, von dem Sie nie einen Franken gesehen haben. Das sind die Momente, wo man den Steuervogt ins Pfefferland wünscht. Dann wechseln Sie auf die nächste Seite, und dort sehen Sie plötzlich die Schuldzins- und andere Abzüge, und das versöhnt Sie dann wieder mit dem Steuervogt. Ob die Freude oder der Ärger höher ist, hängt eigentlich jeweils von der ganz konkreten Situation des Steuerpflichtigen ab. Über das Ganze gesehen, kann man aber sagen, dass sich Freude und Ärger einigermassen die Waage halten, und vor allem kennt man das Ganze schon. Selbst wenn ich meiner Mutter erklären muss, wieso sie jetzt da, auf dieser einen Seite, noch ein fiktives Einkommen hat, das sie ja nie im Portemonnaie gesehen hat: Nach Jahren funktioniert das, die Leute verstehen das. Immerhin haben wir vom Kommissionssprecher gehört – und das zeigt auch die tägliche Praxis -, dass die Ermittlung des Eigenmietwertes und die Erfassung der diversen Abzüge einen riesigen administrativen Aufwand bedeuten. Und immer wenn wir von Vereinfachungen des Steuersystems reden, kommt genau diese Systemwechseldiskussion auf. Mit dem Systemwechsel ist da jeweils gemeint, dass man einfach sagt: Kein Eigenmietwert mehr auf dieser Seite, und dafür keine Schuldzins- und andere Abzüge auf der anderen Seite.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich mit diesem doch recht radikalen Modell leben könnte. Es hätte allerdings ein paar Nebenwirkungen. Die Hauptwirkung, nämlich die massive Vereinfachung des Systems, wäre ja von allen erwünscht. Dann gäbe es als erste Nebenwirkung allerdings offenbar höhere Steuereinnahmen für den Staat. Das scheint für viele Menschen etwas vom Schlimmsten zu sein. Höhere Steuereinnahmen fürchten sie also mehr, als der Teufel das Weihwasser fürchtet. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich könnte damit leben, wenn der Staat ein paar Millionen Franken mehr einnähme. Die zweite Nebenwirkung ist ein ernsthaftes Problem: Ersterwerber ohne Vermögen hätten tatsächlich Schwierigkeiten, zu Wohneigentum zu kommen.
Mit dem nun präsentierten indirekten Gegenvorschlag, mit dem Bundesgesetz über die Besteuerung des privaten Wohneigentums, versucht man etwas, das der Quadratur des Kreises gleichkommt. Das heisst, man versucht, den mit der Steuererklärung verbundenen Ärger wegzunehmen, ohne die Freude an den Schuldzinsabzügen zu vergällen. Ich muss ehrlich sagen, dass ich den Eindruck habe, die Übung sei ein bisschen verunglückt. Die Mechanik, die Grundwirkungsweise des Gesetzes ist vom Kommissionssprecher erklärt worden. Ich glaube wirklich, dass von einer Vereinfachung des Systems in Gottes Namen einfach nicht gesprochen werden kann. Es gibt tendenziell eine Verlagerung der Belastung von älteren Steuerpflichtigen zu jüngeren Steuerpflichtigen, vielleicht sogar von vermögenden Steuerpflichtigen in Richtung nichtvermögende Steuerpflichtige.
Der Ersterwerberabzug spielt wirklich nur ganz am Anfang und hat eine Verbesserung gegenüber der jetzigen Situation zur Folge. Der Vorteil gegenüber der jetzigen Situation nimmt allerdings aufgrund der degressiven Ausgestaltung relativ schnell ab. Denn die ganze Sache würde bloss dann spielen, wenn diese Ersterwerber relativ zügig amortisieren könnten; innerhalb von 20 Jahren müssten die ganzen Schulden amortisiert werden. Ich muss Ihnen sagen: Eine junge Familie mit Kindern in Ausbildung usw. wird das niemals schaffen können. Dort kippt die Situation sehr schnell ins Negative. Wir hätten einmal mehr eine Lösung, welche diejenigen fördert, die diese Förderung gar nicht nötig haben.
Sie sind wahrscheinlich – mindestens als Kommissionsmitglieder, wie ich erfahren habe – mit entsprechenden Belehrungen aus der ganzen Gesellschaft bedient worden. Ich habe festgestellt, dass die Bauwirtschaft grosse Vorbehalte macht. Sie befürchtet, dass dadurch Unterhaltsaufwendungen unter Umständen abgewürgt werden könnten. Die Finanzdirektoren sind alles andere als begeistert von der Angelegenheit; es bestehen immer noch beträchtliche Vorbehalte. Die Kantonsautonomieapologeten in unserem Rat befürchten, dass das einmal mehr ein Schritt in Richtung materieller Steuerharmonisierung sei.
Die Mieterverbände finden, dass damit eine unzulässige Privilegierung von Wohneigentümern stattfindet und damit allenfalls der Miet- oder der Wohnfrieden in unserem Land gestört werden könnte. Kurz und gut: Die Idee des indirekten Gegenentwurfs war sehr gut gemeint. Dieser ist handwerklich wesentlich besser ausgeführt als die Initiative, aber schlussendlich führt er wiederum zum falschen Weg.
Obwohl der Gegenvorschlag technisch sehr viel feiner ziseliert ist als die Initiative, empfehle ich Ihnen, auf die Vorlage nicht einzutreten, weil sie Probleme, die wir wirklich haben, nicht löst und neue Probleme schafft, die wir jetzt noch nicht haben.
Ich bitte Sie deshalb, auf die Vorlage nicht einzutreten.

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