Rede zum 1. Mai 2011 Grenchen

Die Gewerkschaften fordern Mindestlöhne. Zu recht. Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, wenn Menschen vollzeitlich arbeiten und damit ihren Lebensun-terhalt nicht bestreiten können. Die Gewerkschaften kämpfen auch gegen die sich zunehmend öffnende Lohnschere. Auch das zu recht. Es ist ein gesellschaftlicher Skandal, wenn sich wenige Unverschämtlinge zu Lasten der Beschäftigten und der Eigentümer mit atemberaubenden Boni schamlos bereichern und die Beschäftigten an den Produktivitätsfortschritten bloss ungenügend oder überhaupt nicht partizipieren können.

Die beiden Forderungen wollen bildlich gesprochen nichts anderes, als eine neue Verteilung des Wohlstandskuchens.

Eine gerechte Verteilung des Wohlstandskuchens ist nicht bloss eine moralische Frage. Es ist auch eine Frage der politischen oder besser der gesell-schaftlichen Intelligenz.

Auf Dauer hält das kein freiheitliches System aus, wenn immer weniger Super-privilegierte auf Kosten der Mehrheit immer mehr besitzen. Dauernde strukturelle Ungerechtigkeiten sind mit einem freiheitlichen und demokratischen System nicht vereinbar. Dauernde Ungerechtigkeiten bringen sogar totalitäre Systeme zur Implosion. Die Vorgänge in Nordafrika und im nahen Osten legen davon Zeugnis ab und können uns Vorbild sein.
Ein System, das zum Vorteil Weniger und zum Nachteil Vieler funktioniert, ist mittel- und langfristig zum Scheitern verurteilt. Genau deshalb wären insbesondere die Profiteure des Systems gut beraten, es nicht allzu sehr zu übertreiben. Aber ich will den Blick auf einen anderen Aspekt richten:
Sowohl die Forderung nach Mindestlöhnen als auch nach einer Schliessung der Lohnschere setzt voraus, dass überhaupt Lohn erzielt wird. Und Lohn kriegt man für geleistete Arbeit. Lohngerechtigkeit setzt demnach Arbeit voraus. Damit Kuchenstücke verteilt werden können, muss zuerst der Kuchen gebacken werden.

Die kürzlich vernommene Nachricht, dass Swatch in Grenchen investieren und ein paar hundert Arbeitsplätze schaffen werde, war eine wohltuende Ausnahme in unserer Gegend. Sie stellt den Verantwortlichen von Swatch, den Arbeitnehmenden der Region und den Behörden von Grenchen ein gutes Zeugnis aus. Das ist erfreulich und dazu gratuliere ich gerne!

Andere Nachrichten waren weit weniger erfreulich!
Die Schliessungsankündigung der Papierfabrik Sappi hat uns alle schockiert. Es ist unverständlich, dass ausgerechnet der europäische Renommierbetrieb geschlossen werden soll. Die Belegschaft in Biberist zeigt den Verantwortlichen in Brüssel und Südafrika, was unternehmerische Kreativität und Tapferkeit bedeutet. Ihnen gehört unsere Solidarität und unsere Bewunderung. Wir unterstützen sie in ihrem Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze.

Den Sappi-Verantwortlichen sei ins Stammbuch geschrieben: Wir wollen sie mit guten Argumenten und findigen Ideen von ihrer Höllenfahr abhalten. Falls das nichts nützt, werden wir dafür sorgen, dass ihnen die Hölle heiss gemacht wird!

Eine weitere Alarmmeldung war heute im „Sonntag“ zu lesen und zeichnete sich eigentlich schon längere Zeit ab: Dem Stahlwerk in Gerlafingen droht der Pfuus auszugehen.

Während meiner Zeit als Nationalrat haben die regionalen stromintensiven Unternehmungen die eidgenössischen Parlamentarier beschworen, der Strommarktliberalisierung zuzustimmen. Nur so könnten sie von günstigen Stromangeboten profitieren und die Arbeitsplätze sichern.
Kaum hat die abverheite Strommarktliberalisierung gegriffen, sind die Strompreise für unsere Basisindustrien explodiert . Aus der Industriestrompreis-Oase Schweiz ist die Industriestrompreis-Wüste Schweiz geworden!
Das darf nicht sein! Unsere Vorfahren haben Bergtäler verbaut und Bergbäche gestaut um das Unterland und dessen Industrien mit sicherem und günstigem Strom zu versorgen. Dort sollten die ausgewanderten Bergler ihre Arbeit und ihr Auskommen finden.

Erste Aufgabe der weitgehend in öffentlicher Hand befindlichen Stromproduzenten ist nicht die Maximierung ihrer Gewinne an irgendwelchen obskuren Strombörsen. Ihre primäre Aufgabe ist es, unsere Volkswirtschaft mit günstigem Strom zu versorgen. Dabei nimmt die Versorgung unserer besonders stromintensiven Basisindustrien einen ebenso besonderen Platz ein. Die günstige und international wettbewerbsfähige Stromversorgung unserer Basisindustrien ist service public im besten Sinn!

Sie ist die unabdingbare Voraussetzung für eine ökologisch sinnvolle Arbeitsteilung in einer offenen Volkswirtschaft.

Sie ist die unabdingbare Voraussetzung, dass weiterhin industrielle Arbeitsplätze in der Schweiz angeboten werden können.

Sie ist die unabdingbare Voraussetzung, dass ein üppiger Wohlstandskuchen gebacken werden kann.

Und sie ist Voraussetzung, dass ordentliche Kuchenstücke gerechter verteilt werden können!

Deshalb ist Strommarktpolitik zwar knochentrocken und technisch hochkompliziert – aber von vitaler volkswirtschaftlicher Bedeutung.

Deshalb muss die Industriestromlandschaft verändert werden.

Mit ein bisschen Fantasie und gutem Willen sind Lösungen zu finden. Und zwar schnell!

Dafür will ich mich als Wirtschaftsvertreter der Büezer einsetzen und dafür werde ich versuchen, Verbündete zu finden.

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