Bankengesetz. Änderung (too big to fail)
Zanetti Roberto (S, SO): Als Mitglied dieses Rates sind wir gehalten, Schaden von Land und Leuten abzuwenden. Wir machen das in verschiedenen Situationen. In der ersten Woche haben wir in anderem Zusammenhang auch Entscheide von grösserer Tragweite gefällt, die auch Schaden abwenden sollen, obwohl ich dort keine reale Bedrohungslage erkennen kann. Wir sind mit den Beschlüssen sogar deutlich über die Anträge des Bundesrates hinausgegangen und haben also einen komfortablen Swiss Finish draufgelegt.
Jetzt geht es darum, einer wirtschafts- und finanzpolitischen Bedrohungslage Rechnung zu tragen. Diese Bedrohungslage ist sehr viel unmittelbarer und realer – wir haben es gehört, vor drei Jahren wäre es fast zum Ernstfall gekommen -, und sie ist insbesondere sehr viel dramatischer als in vergleichbaren Ländern oder bei unseren Nachbarn. Und auch hier ist es unsere nobelste Aufgabe, möglichen Schaden abzuwenden. Wenn wir das machen wollen, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als auf die Vorlage einzutreten und sie allenfalls sogar mit einem über die Anträge des Bundesrates hinausgehenden Swiss Finish zu verpassen.
Zur Bedrohungslage brauche ich nichts mehr zu sagen, es ist erwähnt worden, alleine die Grösse und die Marktanteile unserer Grossbanken lassen erahnen, dass ein Bankencrash für unsere Volkswirtschaft eine absolute Katastrophe wäre; und ein solcher Bankencrash stand ja unmittelbar vor der Haustüre. Deshalb also nochmals: Die Bedrohung ist real, und ohne geeignete Gegenmassnahmen könnte jederzeit wieder ein solcher Bedrohungsfall eintreten, und das wollen wir alle zusammen doch verhindern. Ich habe über Pfingsten auch Zeitung gelesen, und da stand zu lesen, dass die beiden Grossbanken per Ende des ersten Quartals 2011 eine harte Kernkapitalquote von unter 2 Prozent ausgewiesen haben. Das hat mich alarmiert: eine harte Kernkapitalquote von unter 2 Prozent – die haben offensichtlich wirklich gar nichts gelernt! Deshalb muss der Gesetzgeber tätig werden. An Selbstregulierungen der Branche zu glauben ist wirklich, wie an den Osterhasen oder an den Storch zu glauben – oder es sei an den berühmten Hund erinnert, der einen Wurstvorrat anlegen soll.
Die Branche ist getrieben von der eigenen Gier, und sie ist getrieben von kurzfristigen „Maximierungs-Wahnsinnstaten“ – und daraus kann sie sich einfach nicht befreien! Die heutigen Banker, die ticken einfach so, und sonst werden sie wahrscheinlich gar nicht eingestellt. Deshalb müssen wir ihnen helfen. Da geht es nicht darum, den Finanzplatz plattzuwalzen, sondern es geht im Gegenteil darum, dass der Finanzplatz uns nicht plattwalzt.
Die Hauptmassnahmen sind von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern erwähnt worden, z. B. Eigenkapital und Liquidität ein bisschen komfortabler auszugestalten. Jeder Kleingewerbler und jeder Vereinskassier weiss, dass sich ruhiger leben lässt, wenn man Eigenkapital und Liquidität in genügendem Ausmass hat. Dass man Gegenpartei- und Klumpenrisiken minimieren will, das versteht sich auch von selbst: Wenn einer stolpert, soll nicht eine ganze Seilschaft abstürzen. Diese Massnahmen sollen ja eigentlich präventiv wirken, damit die Wahrscheinlichkeit eines Bankenkrachs überhaupt gar nicht eintreten kann. Die Abspaltung der systemrelevanten Funktionen macht Sinn, damit eine Bank auch untergehen kann, ohne dass unverhältnismässiger Kollateralschaden für den Rest der Volkswirtschaft entsteht.
Zu reden gegeben hat die ganze Eigenkapitalgeschichte. Wir reden da von drei Elementen, die insgesamt zu 19 Prozent Gesamteigenkapital führen. Das tönt eigentlich recht komfortabel: Wenn ich als Bauherr zur Bank gehe und mir meinen Hausbau finanzieren lassen will, dann erwartet sie von mir 20 Prozent Eigenkapital. So gesehen, hätte man auf den ersten Blick den Eindruck, 19 Prozent seien angemessen. Aber in Tat und Wahrheit geht es um 19 Prozent der risikogewichteten Aktiven, und wir haben gehört, dass alle nicht risikogewichteten Aktiven 5 Prozent des Eigenkapitals ausmachen, also rund ein Viertel dessen, was die Banken von ihren Kunden erwarten. Das, ich muss es Ihnen ehrlich sagen, finde ich relativ abenteuerlich. Nach diesen risikogewichteten Kriterien – das habe ich über Pfingsten auch in der Zeitung gelesen – war die UBS vor dem grossen Bang offenbar eine der am besten kapitalisierten Banken weltweit. Da muss irgendwie mit der Risikogewichtung etwas schiefgelaufen sein.
Deshalb reicht diese Masszahl bezüglich der risikogewichteten Aktiven meines Erachtens nicht. Sie ist wenig plausibel und kann nicht nachvollzogen werden. Man kann sich mit dieser Risikogewichtung offenbar furchtbar täuschen; sie schützt insbesondere nicht vor Katastrophen, wie die neueste Geschichte gezeigt hat. Es kommt mir ein bisschen so vor, als ob die Finanzministerin einen möglichst scharfen Steuertarif diktierte, während wir Steuerpflichtigen dann sagen könnten, was wir als steuerbares Einkommen definieren wollten. Das wäre eine nicht besonders clevere gesetzgeberische Arbeit, wenn wir so legiferieren würden. Bei dieser Risikogewichtung habe ich, ehrlich gesagt, den Eindruck, dass es ein bisschen auf das rausläuft.
5 Prozent Eigenmittel – was heisst das? Ich habe einen dieser Chief Risk Officers, die uns da belehrt haben, gefragt, ob er bei der Finanzierung mitmachen würde, wenn ich eine Beiz mit 5 Prozent Eigenkapital kaufen wollte. Selbstverständlich hat er Nein gesagt, weil er ja ansonsten ein schlechter Chief Risk Officer sei. Ich aber soll als Risk Officer der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler zu 5 Prozent Eigenmitteln Ja sagen und mich dann noch von den Grossbanken so quasi als der Strangulator des Finanzplatzes beschimpfen lassen? Da muss ich Ihnen sagen, dass ich da die Welt nicht mehr verstehe. Mir scheint, dass diese Anforderungen, wie sie im bundesrätlichen Entwurf definiert sind, mehr als entgegenkommend sind; sie sind vielmehr ziemlich abenteuerlich, würde ich sagen. Als die Banker sich noch „Banquiers“ nannten, da waren Eigenmittel von deutlich mehr als 5 Prozent absolut an der Tagesordnung; die Schweizer Banken und die schweizerische Volkswirtschaft sind damit ausserordentlich gut gefahren. Ich verstehe nicht, dass die Banker das nicht als grosse Chance verstehen. Wenn ich Banker wäre, dann würde ich jetzt sagen: „Mit diesen Eigenmittelanforderungen, die deutlich über denen der Konkurrenz liegen, bin ich auf der sicheren Seite.“ Wenn ich nämlich wohlhabend wäre, was ich leider ausdrücklich nicht bin – jetzt spreche ich wieder als Bankkunde -, dann würde ich mir eine möglichst gut kapitalisierte und sichere Bank suchen und nicht eine Bank mit möglichst hoher Kapitalrendite und entsprechend hohen Boni. Wenn das die Banker nicht als gutes Marketinginstrument verstehen, dann, muss ich ehrlich sagen, ist ihnen nicht zu helfen. Das als kleiner Gratistipp in Sachen Marketing an die Adresse unserer Bankwirtschaft.
In diesem Sinn möchte ich Ihnen Eintreten auf die Vorlage beantragen. Ich bitte Sie, im Rahmen der Detailberatung einem optimierten Swiss Finish zuzustimmen, der in den einzelnen Punkten ein bisschen über die Anträge des Bundesrates hinausgeht, damit man bei Swiss Banking wirklich auf der sicheren Seite ist. Das ist die Absicht dieser ganzen Übung. Wir wollen weder den Finanzplatz schädigen noch unsere Volkswirtschaft plattwalzen lassen, deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als dieser Vorlage zuzustimmen – und zwar ohne die Verbesserungen, wie sie Kollege Germann hier angetönt hat.