Motion Humbel Ruth. Erhöhung des Versicherungsabzuges bei der direkten Bundessteuer
Zanetti Roberto (S, SO): Wer die Steuererklärung selbst ausfüllt, kennt das jährliche Ärgernis. Man legt alle Unterlagen schön bereit, damit man dann die Tabelle ausfüllen kann, kommt zur Ziffer, die den Versicherungsabzug betrifft, schaut nach, was man letztes Jahr an Krankenkassenprämien bezahlt hat – im Durchschnitt deutlich über 4000 Franken -, und dann findet man in der Wegleitung, dass man bloss 1700 Franken abziehen kann. Da fühlt man sich natürlich vom Steuervogt tatsächlich ein bisschen an der Nase herumgeführt. Ich verstehe das und kann es gut nachvollziehen.
Wenn man dieses Ärgernis beseitigen will, müsste man den Versicherungsabzug eigentlich bei der effektiven Höhe der Krankenkassenprämie festlegen oder mindestens bei der durchschnittlichen Prämie. Dann, um auch für die Zukunft vor diesem Ärgernis bewahrt zu werden, müsste man diesen Abzug jeweils der Prämienentwicklung anpassen. Das hätte gemäss den Berechnungen des Bundesrates, wie es der Kommissionspräsident erwähnt hat, wenn man die Durchschnittsprämie zugrunde legt, Mindereinnahmen von insgesamt 620 Millionen Franken zur Folge, gut 500 Millionen beim Bund und gut 100 Millionen bei den Kantonen. Deshalb lassen ja auch die Finanzdirektoren grüssen, mit Schreiben vom 29. Februar dieses Jahres.
Wenn man dann noch diese dynamische Entwicklung, also die Anpassung an die Prämienentwicklung, miteinbezieht, dann würde das zusätzlich noch alle vier Jahre rund 100 Millionen Franken Mindereinnahmen zur Folge haben. Da liegt halt einfach die finanzpolitische Crux. Mit Blick auf die Schuldenbremse sind Mindereinnahmen genau gleich wie Mehrausgaben, und Steuerabzüge sind so gesehen eigentlich bloss raffiniert maskierte Subventionen, was die Wirkung auf den Haushalt betrifft. Mehrausgaben und Subventionen werden in diesem Rat immer sehr kritisch begutachtet, zu Recht, und ebenso kritisch müssen wir Mindereinnahmen und Steuerabzüge prüfen. Eigentlich müssen wir dafür besorgt sein, dass die Gegenfinanzierung stimmt.
Ich bin überzeugt, jeder und jede hier im Saal hätte Ideen, wie man eine halbe Milliarde Franken einsparen könnte oder wie man eine halbe Milliarde für den Bundeshaushalt anderweitig beschaffen könnte. Das Problem ist aber, dass es nichts nützt, wenn wir 46 verschiedene Vorschläge haben. Wir müssten eine Lösung haben, die mehrheitsfähig ist.
Wenn hier die Gegenfinanzierung nicht aufgezeigt werden kann – und da sind vor allem die Motionsbefürworter in der Pflicht -, dann machen wir etwas, was eigentlich eher unsympathisch ist: Wir verhalten uns schlicht und ergreifend als Zechpreller. Wir bestellen etwas, was uns selbstverständlich die Zustimmung und den Applaus unserer Wählerinnen und Wähler sichert, aber wir bezahlen nicht dafür. Ich finde, Zechprellerei gehört sich einfach nicht. Deshalb: Ohne Gegenfinanzierung, die mehrheitsfähig ist, können wir das schon aus Gründen der Seriosität nicht machen. Wenn ich mir noch die Überlegung mache, wie die individuelle Auswirkung einer Abzugserhöhung aussehen würde, komme ich erst recht zum Schluss, dass man da nicht zustimmen kann.
Eigentlich ist ein Versicherungsabzug ja nichts anderes als ein sozialpolitisch motivierter Abzug. Das tönt sehr sympathisch, in der Wirkung sieht das hier aber ganz anders aus. Denn es erfolgt keine Wirkung dort, wo sie notwendig und erwünscht wäre, ja es ist nicht einmal eine Giesskanne, die allen gleichmässig zugutekommt, sondern die Wirkung entsteht dort, wo sie am wenigsten notwendig und auch am wenigsten nützlich ist, nämlich bei den einkommensstärksten Personen.
Ich habe das einmal durchgerechnet: Wenn wir den Abzug auf die Durchschnitts-Krankenkassenprämie festlegen würden – ich habe es für einen Junggesellenhaushalt durchgerechnet, damit es auch für mich nachvollziehbar ist -, würde man bei einem steuerbaren Einkommen von 30 000 Franken 19 Franken und 25 Rappen weniger Bundessteuern bezahlen; bei einem steuerbaren Einkommen von 60 000 Franken wäre die Steuerersparnis 74 Franken und 25 Rappen; und bei einem Einkommen von einer halben Million Franken – das ist so mein Zielwert, den ich mal erreichen möchte – würde ich 330 Franken einsparen, das wäre also das Siebzehnfache der Einsparung, die sich bei einem Einkommen von 30 000 Franken ergäbe. Jetzt werden vielleicht ein paar Prozentrechner daherkommen und sagen, prozentual sehe dies aber ganz anders aus. Dazu muss ich Ihnen im Hinblick auf eine Sozial- und Mittelstandspolitik Folgendes sagen: An der Migros- oder Coop-Kasse bezahlen Sie mit Franken und nicht mit Prozenten. Deshalb ist auch meine Berechnung zulässig oder wahrscheinlich sogar notwendig.
Wenn jetzt diese Massnahme mit Mittelstands- oder gar mit Sozialpolitik begründet wird, muss ich sagen: Es ist eine relativ merkwürdige Mittelstands- und Sozialpolitik, wenn ein Einkommensbezüger mit einer halben Million Franken 17-mal mehr entlastet wird als ein Einkommensbezüger mit 30 000 Franken. Wenn man also bei den Abzügen etwas machen will, müsste man dies gemäss dem Konzept der Familienbesteuerung machen, nämlich mit einem Abzug vom Steuerbetrag; aber selbst dort wäre dann die Frage der Gegenfinanzierung noch nicht gelöst.
Wenn ich zusammenfasse, dann finde ich, dass die Vorlage nicht gegenfinanziert und deshalb aus finanzpolitischen Gründen unseriös ist. Ich finde die Vorlage sozialpolitisch nicht nur nicht wirksam, sondern sie wirkt im Gegenteil sogar falsch, indem die Reichsten und Wohlhabendsten am stärksten entlastet werden. Wenn ich dann auch noch die Bemerkung des Kommissionspräsidenten zur Bierdeckel-Steuererklärung in die Überlegungen einbeziehe, muss ich sagen: lieber grössere Biergläser als grössere Bierdeckel! Da bleibt nur eine Schlussfolgerung: Die Motion kann nicht angenommen werden.
Ich bitte Sie deshalb, in Übereinstimmung mit dem Bundesrat und den Finanzdirektoren die Motion abzulehnen.