Vereinfachung der Mehrwertsteuer

 

Zanetti Roberto (S, SO): Erlauben Sie mir ein paar Ergänzungen zu den Ausführungen des Kommissionspräsidenten. Kollege Föhn hat gesagt, dass man sich vorstellen könnte, eine Steuerbefreiung ab dem 1. April auszusprechen; nächstes Jahr würde sie ja auslaufen, weil aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Befristung von einem Jahr vorzusehen sei. Das würde jedoch zu einem bürokratischen Irrsinn führen: Auf den 1. April 2012 müsste der Buchhalter eines Hotels die Mehrwertsteuer bei der Abrechnung von 3,8 auf 0 Prozent umwandeln, und am 1. April 2013 müsste er die Mehrwertsteuer wieder einführen. Weiter wissen wir, dass der reduzierte Beherbergungssatz bis Ende 2013 limitiert ist; auf den 1. Januar 2014 müsste also, je nachdem, was entschieden wird, wieder ein neuer Mehrwertsteuersatz festgelegt werden. Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr müssten die Mehrwertsteuersätze also dreimal angepasst werden.
Ich erinnere Sie einfach an die Diskussionen und die Panikschreie, die in der Vergangenheit aus der Wirtschaft zu hören waren, wenn Mehrwertsteuersätze angepasst wurden. Da hatte man jeweils den Eindruck, es breche der bürokratische Notstand aus. Und jetzt wollen Sie das in einer Branche innerhalb von etwas mehr als einem Jahr dreimal bewerkstelligen. Ich halte das ehrlich gesagt für einen steuerbürokratischen Irrsinn der feinsten Sorte.
Nun zu den verfassungsrechtlichen Erörterungen von Kollege Martin Schmid: Ich kann ihm da das Wasser nicht reichen, ich sehe einfach, dass wir zwei Papiere erhalten haben, ein Papier des Bundesamtes für Justiz und das Parteigutachten von der KPMG. Dort wird vor allem auf Artikel 100 der Bundesverfassung Bezug genommen, also auf den Artikel zur Konjunkturpolitik. Ich definiere Konjunkturpolitik jedoch etwas weiter, Konjunkturpolitik geht für mich über irgendeine Branchenstützungsaktion hinaus. Deshalb würde ich einfach mal die Frage in den Raum stellen, ob Artikel 100 der Bundesverfassung hier anwendbar ist. Das mögen die Verfassungsspezialisten diskutieren. Dem Kurzgutachten des Bundesamtes für Justiz können wir ganz klar entnehmen, dass der Gesetzgeber, wenn eine Verfassungsgrundlage fehlt, ein befristetes Gesetz erlassen kann.
Aber für mich ist das hier ein anderer Tatbestand. Hier, in Artikel 130 Absatz 2, wo der Steuersatz genau definiert wird, haben wir eine ganz klare Verfassungsgrundlage. Die Verfassungsrechtler mögen das anders sehen, aber für mich ist es ein qualitativer Unterschied, ob ich legiferiere ohne Verfassungsgrundlage oder ob ich legiferiere im klaren Widerspruch zum Wortlaut der Bundesverfassung. Sie mögen Verfassungsspezialist sein, geschätzter Kollege Schmid, ich bin Verfassungspatriot, und da nehme ich das einfach zum Nennwert. Wenn in der Verfassung 2 plus 2 gleich 4 ergibt, dann gilt das auch für mich. Die Verfassungsrechtler können das meinetwegen interpretieren, und dann haben Sie zwei Gutachten mit zwei Meinungen. Würden wir ein drittes Gutachten einholen, gäbe es zweifellos eine dritte Meinung. Im Zweifelsfall, muss ich Ihnen sagen, halte ich mich an den Wortlaut der Verfassung und nicht an sich widersprechende Gutachten. Wenn ich mich an Gutachten halten würde, würde ich mich eher an das Gutachten des Bundesamtes als an ein Parteigutachten eines Branchenverbandes halten.
Für mich wiegen eigentlich die verfassungsrechtlichen Bedenken – ich sage nicht, Sie seien ein Verfassungsbrecher – zu schwer, sodass ich zu dieser Lösung nicht Hand bieten kann; ganz abgesehen davon, das hat der Kommissionspräsident bereits dargelegt, kann man an der Wirksamkeit der Massnahme grosse Zweifel anbringen. Ob die Dringlichkeit objektiv gegeben ist oder nicht einfach herbeigeredet wird, dazu kann man auch Fragen stellen. Ob damit die Massnahme geeignet und notwendig ist, was immerhin auch eine Voraussetzung wäre für diese verfassungsmässige, sagen wir mal, Grenzüberschreitung, ist auch offen.
Für mich gibt es sehr viele offene Punkte, die mich dazu bewegen, mit der Mehrheit der Kommission Nichteintreten zu beschliessen und auch die Motion abzulehnen.

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