Zusammenarbeit im Steuer- und Finanzmarktbereich. Abkommen mit Deutschland, Abkommen mit dem Vereinigten Königreich sowie internationale Quellenbesteuerung. Bundesgesetz

Zanetti Roberto (S, SO): Bei der Beantwortung der Frage, ob man diesen Abkommen zustimmen soll, fand ich mich vor dem alten Dilemma wieder, dem man sich als Politiker hin und wieder gegenübersieht: Will ich den Spatz in der Hand oder lieber die Taube auf dem Dach? Ich versuche Ihnen darzulegen, wie ich diese Frage für mich persönlich beantwortet habe.
Wieso erhebt ein Staat Steuern? Er will damit vor allem zwei Ziele erreichen: Er will Betriebsmittel generieren, damit er seine staatlichen Aktivitäten finanzieren kann, und er will über sein Steuersystem eine gerechte Verteilung der Steuerlast, er will Steuergerechtigkeit herstellen. Steuerabkommen zwischen Staaten sollen dazu dienen, dass diese Ziele erreicht werden. Das heisst, ein Staat hilft dem anderen Staat, seine Steuerziele zu erreichen – jeweils unter Beachtung der eigenen Rechtsordnung.
Wird das Erreichen dieser Ziele mit den Abkommen, die hier zur Debatte stehen, gefördert? Die Abkommen bilden die jeweiligen Steuersysteme der Partnerländer in unserer Rechtsordnung ab; so ist es dargelegt worden, so können wir es nachlesen. Das heisst, die steuerliche Behandlung ausländischer Vermögen erfolgt praktisch identisch mit der steuerlichen Behandlung im Ursprungsland. Da mag es ein paar Unschärfen geben, aber grosso modo kann man sagen: Eine steuerpflichtige Person in einem Partnerland mit nicht deklariertem Vermögen in der Schweiz wird künftig weitgehend gleich besteuert, wie wenn sie das Vermögen im Partnerland hätte. Dadurch fliessen dem Partnerstaat zumindest grosse Teile des ihm zustehenden und dringend benötigten Steuergelds ziemlich rasch zu. Ein Hauptziel, wieso überhaupt Steuern erhoben werden, nämlich das Zurverfügungstellen von Betriebsmitteln für den Staat, wird mit diesen Abkommen erreicht.
Als Nebenwirkung der Abkommen könnte es so dazu führen, dass gewisse Kapitalien ins Ursprungsland zurückfliessen, weil es nämlich steuerlich gar keinen grossen Anreiz mehr gibt, dieses Vermögen im Ausland, also in der Schweiz, zu haben. Das könnte zu einer für diese Staaten hochwillkommenen Kapitalrückführung führen.
Die Partnerstaaten, mit denen wir in Verhandlung waren, haben ein vitales Interesse daran, dass sie zu ihrem ihnen zustehenden Geld kommen. Deshalb haben die Regierungen – es sind immerhin demokratisch legitimierte Regierungen – den Abkommen auch zugestimmt.
Wenn wir als Schweiz diesen Abkommen auch zustimmen, dann kommen wir einer Ehrenpflicht gegenüber befreundeten Staaten nach. Wir könnten das Image der Schweiz als Hehlerstaat und Fluchthafen unversteuerter Gelder endlich ablegen; die Schweiz – und damit auch wir alle – müssten in Zukunft kein schlechtes Gewissen mehr haben. Ein zusätzliches Goody bei diesen Abkommen ist, dass die Vergangenheit endlich aufgearbeitet werden könnte.
Auch da kann das erste Steuerziel, nämlich Mittel zu generieren, natürlich wiederum erreicht werden. Da werden rückwirkende Steuereingänge fliessen, die in der Vergangenheit vorenthalten worden sind; da haben wir also wiederum eine Übereinstimmung der Ziele. Die Bereinigung dieser Altlasten liegt aber auch im vitalen Interesse der Schweiz und insbesondere des Finanzplatzes Schweiz. Nur mit dieser Lösung ist es möglich, eine Vergangenheitsbewältigung vornehmen zu können, die den Partnerstaaten der Schweiz entgegenkommt, ohne eigene Rechtsgrundsätze der Schweiz verletzen zu müssen. Ein Rechtsstaat ist meines Erachtens nämlich dadurch definiert, dass er Spielregeln definiert und auch einhält und dass er Treu und Glauben als Handlungsmaxime pflegt, und zwar allen Betroffenen gegenüber. Treu und Glauben und die Einhaltung von Spielregeln, das gilt auch gegenüber Spitzbuben, Rechtsbrechern und unsympathischen Gesellen, mithin also auch gegenüber Steuerhinterziehern. Wir können nicht während 60 Jahren die Leute anziehen wie ein Misthaufen die Fliegen und sagen: „Bei uns habt ihr garantierte Diskretion!“ und dann, wenn die Lage ein bisschen schwül wird, sagen: „Ja, Freunde, das war’s!“ Ich fände das ausgesprochen unfair und eines Rechtsstaates unwürdig, auch wenn ich jede Steuerhinterziehung ablehne. Deshalb hat ein Rechtsstaat auch gegenüber Rechtsbrechern gewisse Fairnessverpflichtungen. Das mag unangenehm und unpopulär sein, aber es gehört halt einfach dazu.
Mit dieser Regulierung der Altlasten können wir also ein Problem aus der Welt schaffen, ohne das eigene Recht brechen zu müssen, und damit wird eben die Ehre der Schweiz wieder hergestellt. Aber damit haben wir auch für uns einen Vorteil erarbeitet: Wir können nämlich den Finanzplatz und damit auch den ganzen Werkplatz Schweiz aus dem Würgegriff der ausländischen Steuerbehörden befreien, und wir können potenzielle Retorsionsmassnahmen der Partnerstaaten verhindern. Ich erinnere daran, dass man offenbar mit Italien grösste Mühe hat, weil die halt einfach ein bisschen eingeschnappt sind. Da hätte also der gesamte Werkplatz Schweiz Probleme. Indem wir dieses Problem lösen, schaffen wir uns selbst auch ein Ärgernis vom Hals. Ich finde, sich selbst Ärger ersparen zu können, ist nicht a priori unanständig oder unmoralisch.
Nun hat aber das Ganze vielleicht einen gewissen Schönheitsfehler, einige Leute sprechen von einer Gerechtigkeitslücke. Das Ganze soll ja immer noch unter dem Mantel der Anonymität stattfinden. Ich muss ehrlich gestehen, auch mir ist das nicht allzu sympathisch, auch ich hätte es gern gehabt, dass man da wirklich radikal einen Strich gezogen hätte. Aber da ist halt vielleicht der Realist, der sieht, dass man gelegentlich schrittweise vorgehen muss. Diesen radikalen Schritt mit dem automatischen Informationsaustausch sehe ich im Moment innert nützlicher Frist politisch nicht als realisierbar. Ich habe zwar grosses Verständnis für Leute, die hier eine Gerechtigkeitslücke kritisieren. Ich selbst sehe diese irgendwo auch, ich habe nämlich bereits vor Jahrzehnten engagiert für die Banken-Initiative gekämpft.
Trotzdem komme ich zum Schluss, dass unser vorgeschlagenes Modell statt einer Gerechtigkeitslücke vielleicht auch eine Gerechtigkeitsbrücke sein kann, nämlich eine Brücke zwischen dem aktuellen Zustand, wo während sechzig Jahren unversteuertes Geld einfach hier gehortet worden ist, und einem künftigen Zustand, wo internationale Standards eingehalten werden, die vielleicht eben auch in einem automatischen Informationsaustausch bestehen können. Dieses Verbindungselement können wir mit diesem Abgeltungssteuerabkommen implementieren.
Ich muss Ihnen sagen, obwohl ich diese moralischen Bedenken oder diese Überlegungen bezüglich Gerechtigkeitslücke nachvollziehen kann – ich kann sie vor allem aus der Sicht unserer Partnerstaaten nachvollziehen -: Wenn jetzt die Schweiz käme und sagen würde, während sechzig Jahren habt ihr kein Geld von uns gesehen, weil keine moralischen Standards galten, und jetzt seht ihr auf die nächste absehbare Zeit wiederum kein Geld, weil wir finden, das sei doch zu wenig gerecht und zu wenig moralisch, käme das im Ausland relativ komisch an. Es ist nicht unbedingt an der Schweiz, sich als Moraltante Europas aufzuspielen, und es ist nicht an der Schweiz, den Partnerstaaten zu sagen, was für sie gut ist und was für sie moralisch und edel ist.
Deshalb noch einmal: Für mich sind die vorgelegten Verhandlungsergebnisse Brücken in eine bessere Zukunft, und deshalb werde ich ihnen zustimmen, obwohl auch ich ein paar Nebenwidersprüche und Unebenheiten entdecke. Aber die Alternative wäre, dass in den nächsten Jahren diese Staaten, die dringend auf Geld angewiesen sind, die Nase plattdrücken müssten, und wie dann die Zukunftslösung aussehen würde, können wir noch nicht beurteilen. Ich bin deshalb der Meinung, dass es weit mehr als nur ein Spatz in der Hand ist und dass die vermeintliche Taube auf dem Dach vielleicht wirklich bloss eine Krähe ist; das Geschäft, das wir hier abschliessen, scheint mir auch für die Partnerstaaten gut, und deshalb stimme ich ihm zu. Ich fände es anmassend, ihnen vor dem Licht stehen zu wollen und zu sagen, was für sie gut ist.

Zanetti Roberto (S, SO): Ich mache es wirklich ganz kurz. Ich bin ja noch nicht allzu lange Mitglied dieses Rates, aber ich glaube, es vergeht keine Session, an der nicht irgendein Banken-, Finanzplatz- oder Weiss-der-Kuckuck-was-für-ein-Geschäft traktandiert ist. Ich möchte es einmal erleben, dass die Schweiz von sich aus proaktiv wird und nicht erst auf massiven Druck der Nachbarländer, der Amerikaner, auf massiven Druck von irgendwoher reagiert, sondern dass sie einmal von sich aus aktiv wird! Das könnte hier passieren, ohne dass man sich irgendetwas vergibt. Es wäre dann auch der Tatbeweis dafür, dass es uns wirklich ernst ist, mit unserem bisherigen Steuerhinterziehungsregime zu brechen und die Zukunft mit einer Weissgeldstrategie anzugehen. Es wäre der Tatbeweis, wenn wir dort aktiv würden, dort Angebote machen würden, wo die Rückerstattung von hinterzogenen Geldern wahrscheinlich die stärkste Wirkung entwickeln würde, nämlich bei Ländern, die ganz, ganz stark auf diese Gelder angewiesen wären.
Ich möchte Sie deshalb bitten, auch wenn es nicht für eine Mehrheit reicht, dass es doch immerhin ein anständiges Resultat gibt, damit das Signal Richtung Finanzdepartement verstanden wird. Anlässlich der WAK-Sitzung ist uns signalisiert worden, dass gewisse Sympathien vorhanden sind, aber Sie können ja diese Sympathiewelle noch ein bisschen erhöhen.
Ich bitte Sie deshalb, der Minderheit zuzustimmen.

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