HS12: Parlamentarische Initiative Lüscher Christian. Liberalisierung der Öffnungszeiten von Tankstellenshops

Zanetti Roberto (S, SO): Wenn es darum geht, gesetzgeberisch tätig zu werden, stelle ich mir immer drei Fragen: Ist es nötig? Ist es erwünscht? Gibt es Risiken und Nebenwirkungen?
Zur Notwendigkeit: Wir haben vom Kommissionssprecher gehört, dass diese Shops bis nachts um eins geöffnet sein können. Es geht eigentlich darum, ob man zwischen ein Uhr und fünf Uhr morgens auch noch offen halten soll.
Ich spreche jetzt als Konsument zu Ihnen: Ich führe einen Einpersonenhaushalt, also, wenn ich nicht einkaufe, ist der Kühlschrank leer. Ich versichere Ihnen, dass mein Kühlschrank nie leer ist, obwohl ich in einem Gebiet tätig bin, wo man gelegentlich zu Randzeiten unterwegs ist. Wenn ich nach Hause komme und die ordentlichen Ladenöffnungszeiten verpasst habe, das ist bei uns um halb sieben, dann kann ich beim Tankstellenshop im Dorf bis um neun oder bis um zehn einkaufen. Wie die meisten von Ihnen habe ich eine Fünftagewoche, d. h., wenn es unter der Woche nicht klappt, dann kann ich am Samstag einkaufen. Ich habe relativ flexible Arbeitszeiten, das haben die meisten von Ihnen auch, also richte ich mich ein und mache halt einmal um vier oder um fünf Feierabend, dann kann ich vor halb sieben noch einkaufen gehen. Da passiert also überhaupt nichts. Wir haben in den Haushalten einen technologischen Wandel. Heute gibt es Kühlschränke, Tiefkühlschränke, Mikrowellen, Dampfgarer und weiss der Kuckuck was alles. Es ist also überhaupt kein Problem, für den normalen täglichen Bedarf einzukaufen und das auch noch während ein, zwei oder drei Tagen zu lagern. Wenn plötzlich die Hungerattacke kommt, kann man das in nützlicher Frist so zubereiten, dass man sich verpflegen kann. Es ist deshalb schlicht und einfach nicht notwendig, dass man zwischen ein und fünf Uhr in der Nacht einkaufen kann. Wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind und tanken müssen, nicht nur das Fahrzeug, sondern wenn Sie einen Kaffee trinken oder ein Sandwich essen müssen, dann können Sie das jetzt schon in den Bistros. In den Tankstellenbistros kann man sich die ganze Nacht über mit Kaffee oder mit Sandwiches verpflegen. Also auch für diesen Notfall ist gesorgt.
Deshalb kann man zur ersten Frage, ob es notwendig ist, dafür das Gesetz zu ändern, ganz klar Nein sagen. Das wäre mindestens schon zu 50 Prozent ein guter Grund, nicht auf die Vorlage einzutreten.
Dann kann man sich ja noch fragen, ob es erwünscht ist. Wir wollen ja den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern, wenn immer möglich, die Wünsche erfüllen. Das gehört sich für Politiker so. Jetzt habe ich einmal geschaut, wer das eigentlich wünscht. Das Personal wünscht das aus nachvollziehbaren Gründen nicht; da habe ich Verständnis, das überrascht auch nicht wahnsinnig. Wollen das die Kantone, die schlussendlich die ganzen Ladenöffnungszeiten handhaben müssen? Wenn Sie die Vernehmlassungsergebnisse genauer anschauen, dann sehen Sie Folgendes: Zwanzig Kantone sind gegen eine Änderung der Rechtsgrundlagen. Fünf Kantone sind teilweise dagegen, sie sagen: Meinetwegen, wenn man noch diese und jene und andere Modifikationen vornimmt, könnte man allenfalls. Ein einziger Kanton – ich gebe zu, es ist kein unbedeutender, es ist nämlich mein Heimatkanton Graubünden – unterstützt diesen Entwurf, wie er in die Vernehmlassung gegeben worden ist. Es muss uns als Ständeräte etwas zu denken geben, dass zwanzig Kantone keine Änderung wollen.
Dann habe ich mal die Liste der Vernehmlassungsteilnehmer durchgeschaut. Ich sage Ihnen, wer alles auch noch dagegen ist: die Gewerkschaften – hier muss ich nicht jede einzeln erwähnen, das überrascht nicht unbedingt -, aber auch die Evangelischen Frauen Schweiz, die Eidgenössische Kommission für Alkoholfragen, die Evangelisch-methodistische Kirche der Schweiz, die Verbindung der Schweizer Ärztinnen und Ärzte, Gastrosuisse, der Interkantonale Verband für Arbeitnehmerschutz, der Verband Schweizerischer Arbeitsmarktbehörden, der Kaufmännische Verband Schweiz, die Municipalité de Lausanne, die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände, der Schweizerische Bäcker-Konditorenmeister-Verband, der Schweizer Detaillistenverband; also all die Arbeitsmediziner, die Gewerkschaften lasse ich aus; der Schweizerische Städteverband, Sucht Info Schweiz, der Verkehrs-Club der Schweiz, die Konferenz Kantonaler Volkswirtschaftsdirektoren und der Schweizerische Verband der Lebensmittel-Detaillisten. Alle diese Institutionen sind gegen eine Änderung.
Dafür haben sich ausgesprochen: die Association nationale des coopératives viti-vinicoles suisses, der Gewerbeverband des Kantons Luzern, IG Freiheit – gut, die können nicht anders -, dann der Schweizerische Spirituosenverband; der Verband Schweizerischer Elektro-Installationsfirmen, da weiss ich nicht, was sie dazu bewogen hat, Ja zu sagen; dann aber auch noch die Vereinigung Schweizer Weinhandel. Sie sehen also, branchenmässig ist das ein relativ enges Spektrum, das sich da für eine Tag-und-Nacht-Öffnung ausspricht.
Insbesondere Detaillisten und Lebensmitteldetaillisten wollen das nicht. In der Kommission – also in der ersten Runde, noch in der letzten Legislatur – hat uns der zuständige Chefbeamte, Herr Gaillard, gesagt, dass selbst die Grossverteiler kein Interesse daran hätten, die ganze Nacht hindurch öffnen zu müssen. Von daher muss man fragen: Wer wünscht es denn noch?
Immerhin hatten wir ein paar „Testabstimmungen“: Eine Woche, bevor die Sache in der Kommission behandelt worden ist, wurde im Kanton Zürich und im Kanton Luzern abgestimmt. Im Kanton Zürich wurde eine viel moderatere Änderung der Ladenöffnungszeiten mit 70 Prozent, glaube ich, abgelehnt. Im Kanton Luzern ging es um eine Verlängerung um eine Stunde; wurde auch abgelehnt. Wiederum in der ersten Runde hat der damalige Vertreter des Kantons St. Gallen in der Kommission erklärt, im Kanton St. Gallen sei eine Ladenöffnungsvorlage zur Abstimmung gekommen, die er im Übrigen überstützt habe, und fulminant abgelehnt worden. Selbst die Konsumentinnen und Konsumenten – wenn sie als Stimmbürgerinnen und Stimmbürger agieren – finden, das sei gar nicht nötig. Wir sehen also, es ist weder notwendig noch erwünscht.
Jetzt noch zur letzten Frage: Gibt es Risiken und Nebenwirkungen? Ich habe es vorhin erwähnt: die Suchthilfe, die Kantone usw. sagen Nein. In meinem Dorf gibt es einen Tankstellenshop, der zwar nicht die ganze Nacht offen ist, bei dem es aber schon bis zehn Uhr abends genügend Probleme gibt. Da sitzen Leute, die auch irgendwo sitzen müssen, aber eigentlich eher Schwierigkeiten machen. Sie haben einen relativ hohen Bierkonsum, die Ordnung lässt gelegentlich zu wünschen übrig, und hin und wieder kommt es auch zu relativ harten Auseinandersetzungen, die Polizeieinsätze notwendig machen. Ich finde, wenn wir beschliessen, dass auch nicht an Autobahnen gelegene Tankstellenshops geöffnet bleiben dürfen, werden wir hier Brennpunkte gesellschaftlicher Konflikte schaffen, die wir dann in ein, zwei Jahren wieder mit Standesinitiativen oder parlamentarischen Initiativen entschärfen müssen, indem wir die Kantone unterstützen oder ihnen wiederum Vorschriften zum Alkoholverkauf usw. machen. Im Moment laufen in vielen Städten Diskussionen, bis wann Alkohol soll verkauft werden können.
Ich finde, diese Entwicklung stimmt nicht ganz mit der Problemlage in den Städten und Agglomerationen überein; es ist ein bisschen ideologisch begründet. Wenn man die Volksabstimmungen in den Kantonen zu Rate sieht, wirkt es ein bisschen als Zwängerei.
Sollten Sie wider Erwarten dem Nichteintretensantrag nicht zustimmen können, bitte ich Sie, mindestens in der Detailberatung sehr sorgfältig vorzugehen und allenfalls – und wirklich nur als Notnagel – dem Antrag der Minderheit II zuzustimmen. Sie will das Ganze bloss an Autobahnen zulassen und nicht auch noch an Hauptverkehrswegen neben den Autobahnen.
Noch einmal: Das Ganze ist weder nötig noch erwünscht; es beinhaltet gewisse Risiken. Deshalb kann man diese ganze Geschichte „spülen“.
Ich bitte Sie deshalb, nicht auf das Geschäft einzutreten.

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