FS13: Beschaffung des Kampfflugzeugs Gripen (Rüstungsprogramm 2012 und Gripen-Fondsgesetz)

Zanetti Roberto (S, SO): Der Kommissionspräsident hat uns jetzt mit einer Fülle von Informationen die Ausgangslage dargelegt. Ich will versuchen, mit ein paar Schlaglichtern vielleicht noch andere Betrachtungsweisen einzuführen.
Sie haben es alle miterlebt: Die Gripen-Beschaffung hat im Vorfeld schon hohe Wellen geschlagen. Die Schwesterkommission im Nationalrat hat eine Subkommission eingesetzt, die sich sehr intensiv mit dem Geschäft beschäftigt hat. Praktisch jedes Wochenende war dann in den Medien wieder etwas zu lesen. Parteipräsidenten haben strenge Briefe an den Bundesrat geschrieben.

Andere Opinionleaders sind mit markigen Stellungnahmen an die Medien gegangen. Bei all dieser Aufgeregtheit im Umfeld hat eigentlich die SiK unseres Rates immer ruhig Blut bewahrt. Ich habe eigentlich die Behandlung dieses Geschäftes in unserer Kommission ein bisschen anders in Erinnerung, als es jetzt dargestellt worden ist. Wir haben es mehrmals schnell angesprochen in der Kommission, wenn wieder Nebelgranaten verschossen worden sind oder wenn wieder irgendwelche Interventionen publiziert worden sind. Aber wir haben immer gesagt, dass wir uns materiell mit der Frage erst dann beschäftigen werden, wenn das Geschäft behandlungsreif ist, wenn also die Botschaft bei uns auf dem Tisch ist.
Wir haben dann die Botschaft einmal erhalten, und dann hat die Hektik auch in unserer Kommission Einzug gehalten. Zwischen zwei Sitzungen haben sonst besonnene Mitglieder unserer Kommission plötzlich auch mit Theaterdonner gedroht. Sie haben gesagt, wenn der Beschaffungsvertrag nicht auf dem Tisch liege, werde man das Geschäft verschieben. Zu jenem Zeitpunkt lag nämlich nur die Rahmenvereinbarung vor, die der Präsident erwähnt hat. Diese Rahmenvereinbarung war eine deklassifizierte Version, das heisst, ein paar entscheidende Elemente fehlten.
Im Grunde genommen waren diese ganzen Beschaffungsrandbedingungen eher ein Randthema. In der Subkommission der Schwesterkommission hingegen war es anders, die haben sich offenbar im Rahmen von fünf vollen Sitzungstagen mit dieser Rahmenvereinbarung auseinandergesetzt.
Im Rahmen der zweiten Kommissionssitzung, die eben unter der Androhung abgehalten wurde, das Geschäft zu verschieben, wenn der Beschaffungsvertrag nicht vorgelegt werde, ist uns dann ein Entwurf oder besser gesagt das Skelett eines Entwurfes des Beschaffungsvertrages präsentiert worden, und zwar in relativ kompliziertem technischem Business-Englisch. Während rund einer Stunde, vielleicht waren es auch fünf Viertelstunden, lag der Vertragsentwurf oder das Skelett eines Vertragsentwurfes in englischer Sprache auf unseren Tischen. Wir konnten parallel dazu eine ziemlich professionelle und gut gemachte Powerpoint-Präsentation verfolgen und ein Referat des Projektleiters anhören, das ebenso dicht war und ebenso viele Informationen enthielt wie jetzt das Referat unseres Kommissionspräsidenten. Ich muss Ihnen gestehen: Da war ich überfordert. Ich kann nicht die Informationen von drei Kanälen gleichzeitig abhören, verarbeiten, ordnen und einschätzen. Offenbar können das ein paar Kollegen der Kommission, davor habe ich wirklich grosse Hochachtung – ich war überfordert.
Ich muss Ihnen auch ganz ehrlich sagen: Nach all dem Theaterdonner im Vorfeld, wir würden das Geschäft verschieben, wenn der Vertrag nicht auf dem Tisch liege, habe ich das Vorgehen auch nicht ganz verstanden. Man kann sich ja wohl auf den Standpunkt stellen, ein Beschaffungsvertrag sei eine operative Angelegenheit, das sei Sache des Bundesrates und müsse die Kommissionen nicht interessieren. Unsere Kommission hat aber ausdrücklich gesagt, sie wolle diesen Beschaffungsvertrag sehen, und hat sich dann in rund einer Stunde einen 25-seitigen, relativ komplizierten Vertrag parallel zu einer Powerpoint-Präsentation und einem Referat des Projektleiters zu Gemüte führen müssen.
Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Ich hoffe, dass bei der Evaluation und bei der Projektbegleitung mit feinerem Werkzeug gearbeitet und ein bisschen seriöser zu Werke gegangen wurde und noch wird. Mit dieser für mich recht frivolen Behandlung des Geschäfts haben die Gripen-Befürworter dem ganzen Projekt eher einen Bärendienst erwiesen. Ich bin auch der Meinung, dass sie dafür die Verantwortung zu tragen haben werden, wenn das Projekt überhaupt nicht zum Fliegen kommen sollte, weil die Leute eben den Eindruck haben, das sei zu unseriös abgecheckt worden, oder wenn es eben nur holpernd zum Fliegen kommen sollte.
Ich für meinen Teil kann diese Verantwortung angesichts der sehr oberflächlichen Prüfung des Geschäfts nicht tragen und sage deshalb auch Nein zur Beschaffung – so viel zur Vorberatung in der Kommission.
Erlauben Sie mir nun ein paar wirklich ganz kurze Bemerkungen zur Notwendigkeit eines neuen Kampffliegers und zum Nutzen des evaluierten Typs. Ich will da nicht in die Details gehen, dafür bin ich auch zu wenig Fachmann. Aber wir haben es gehört, der neue Kampfflieger soll die Wahrung der Lufthoheit, die Kontrolle des Luftraums, Aufgaben der Überwachung, Luftpolizei und Luftraumverteidigung erfüllen. Da frage ich mich, ob es dazu wirklich einen neuen Flieger braucht. Ist das mit dem jetzt im Einsatz stehenden Flieger nicht möglich? Wäre eine Luftraumüberwachung nicht günstiger und effizienter, wenn die Schweiz sich am ASDE – Sie wissen, was ich meine, Herr Bundespräsident -, am Programm der Nato, am „Air situation data exchange system“ beteiligen würde, an einem Programm, das auch Nicht-Natostaaten offensteht? Oder könnte man das nicht mit einem modernen, guten Fliegerabwehrsystem bewerkstelligen? Rechnet der Bundesrat tatsächlich bezüglich Luftraumverteidigung mit einer Luftschlacht über dem Mittelland? Jetzt hat man sich mental von den Panzerschlachten im Mittelland gelöst. Ich muss ehrlich sagen, ich sehe die Wahrscheinlichkeit einer Luftschlacht über dem Mittelland nicht.
Falls tatsächlich neue Flieger beschafft werden müssten, wäre es nicht sinnvoller, zweckmässiger und allenfalls auch günstiger, wenn man zahlenmässig eine kleinere Flotte mit leistungsfähigeren Flugzeugen beschaffen würde, die zwar einen höheren Stückpreis, aber tiefere Flottenlebenswegkosten ausweisen würden, weil sie eben weniger zahlreich sind? Es braucht dann weniger Piloten, weniger Bodenpersonal, weniger Ersatzteile, weniger Flugplatzinfrastruktur usw.
Der Kommissionspräsident hat die technischen Risiken erwähnt. Gut, man kann da sehr optimistisch sein, aber ich bin mir sicher, die Risiken eines fertig entwickelten Flugzeugs wären mit Bestimmtheit kleiner. Wir sehen ja zurzeit, was in der Zivilluftfahrt passiert. Die Wunderflieger Dreamliner sind zurzeit mehr in Reparaturhangars als in der Luft; das ist auch ein Flugzeug, das halt vielleicht noch nicht ganz ausgereift auf den Markt gekommen ist. Laufen wir da nicht ein ähnliches Risiko?
Weiter, nebst diesen Luftraumgeschichten, soll das neue Kampfflugzeug die Grundfähigkeit zur Luftaufklärung wieder aufbauen.
Hier besteht seit 2004, also seit bald zehn Jahren – oder wenn dann das neue Flugzeug ausgeliefert wird, seit deutlich mehr als zehn Jahren – eine Lücke. Wir haben diese Lücke bisher ohne weiteren Schaden bestens überstanden. Ich erachte die aktuelle und auch die künftige Bedrohungslage als so entspannt, dass wir auch die kommenden Jahre ohne diese Grundfertigkeit auskommen könnten. Allenfalls wären Kooperationen mit unseren befreundeten Nachbarn zu prüfen. Es gibt andere hoheitliche Politikbereiche, wo das möglich ist. Das sollte doch auch hier gehen, schliesslich sind wir ja von lauter Freunden umzingelt.
Zu guter Letzt sollten die neuen Kampfflieger zusätzlich die Grundfertigkeit zur Bekämpfung von Bodenzielen wieder aufbauen. Diese Grundfertigkeit geht uns jetzt schon bald seit zwanzig Jahren ab. Mit der Ausserdienststellung der Mirage im Jahr 1995 ist diese Grundfähigkeit aufgegeben worden. Auch hier stellt sich die Frage, ob angesichts der aktuellen Bedrohungslage diese Fähigkeit wirklich neu geschaffen werden soll. Wenn ja, haben wir in den letzten Jahrzehnten nicht sträfliche Versäumnisse begangen?
Kurz und gut, ich finde, die Notwendigkeit neuer Kampfflugzeuge ist nicht gegeben, und insbesondere wirft auch die Eignung des evaluierten Typs bei mir zu viele offene Fragen auf. Ich schliesse nicht aus, dass auch eine seriösere Prüfung des Geschäfts in der vorberatenden Kommission nicht alle Fragen hätte klären können. Aber ich hätte bei der Entscheidfindung mindestens ein etwas besseres Gefühl gehabt. Dafür wäre aber deutlich mehr Zeit nötig gewesen, schliesslich geht es da um eine ganz schöne Stange Geld. Damit könnte meines Erachtens ein deutlich höherer Mehrwert innerhalb des Verteidigungsbudgets geschaffen werden, indem dringende Sanierungen immer noch benötigter Liegenschaften oder der Rückbau nicht mehr benötigter Immobilien der Armee an die Hand genommen würden. Wir könnten mit diesem Geld Ausrüstungslücken schliessen, oder wir könnten – eine alte Pendenz – endlich Transportflugzeuge beschaffen, wie das von der angenommenen Motion Burkhalter 07.3597 gefordert worden ist. Über den möglichen Mehrwert ausserhalb des Verteidigungsbudgets will ich mich gar nicht auslassen, da sind der individuellen Fantasie keine Grenzen gesetzt. Unter all den gegebenen Umständen kann ich dem Geschäft nicht zustimmen.
Ich beantrage Ihnen deshalb auch, nicht auf dieses Geschäft einzutreten.

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