Eine wahre Weihnachtsgeschichte

Das politische Jahr hat für mich und viele andere gut geendet. Am vergangenen 19. Dezember konnten über 110000 Unterschriften für die Wiedergutmachungsinitiative der Bundeskanzlei übergeben werden.
Die Initiative fordert von Bund und Kantonen die Wiedergutmachung des Unrechts, das insbesondere Heimkinder, Verdingkinder, administrativ versorgte, zwangssterilisierte oder zwangsadoptierte Personen sowie Fahrende aufgrund fürsorgerischer Zwangsmassnahmen oder Fremdplatzierungen erlitten haben. Die Initiative fordert weiter eine unabhängige wissenschaftliche Aufarbeitung und öffentliche Diskussion dieser Massnahmen.
Für die Opfer dieser fürsorgerischen Zwangsmassnahmen soll ein Fonds in der Höhe von 500 Millionen Franken eingerichtet werden. Bei geschätzten 20000 noch lebenden Betroffenen ergäbe das einen Betrag von rund 25000 Franken pro Person. Insgesamt sind einige hunderttausend Menschen Opfer solcher Massnahmen geworden. Für die meisten kommt also die Wiedergutmachungsinitiative leider zu spät.
Es ist zu hoffen, dass die Initiative möglichst rasch zur Abstimmung gebracht, von Volk und Ständen wuchtig angenommen und anschliessend unverzüglich umgesetzt wird. Damit könnte endlich eines der dunkelsten Kapitel unserer neueren Geschichte aufgearbeitet und nachträglich ein klein wenig Gerechtigkeit hergestellt werden.
Bis in die 1980er-Jahre war es in unserem Land möglich, ohne Gerichtsbeschluss weggesperrt zu werden und Familien auseinanderzureissen. Ein Besuch im ehemaligen Kinderheim in Mümliswil zeigt einen Teil der Hoffnungslosigkeit und Kälte, unter der unzählige Kinder zu leiden hatten.
All diese Menschen haben keine romantische Erinnerung an fröhliche Festtage im Kreise ihrer Liebsten. Allzu viele sind daran zerbrochen, viele kämpfen heute noch mit den dunklen Schatten der Vergangenheit, einige haben sich mit viel Mut und Zuversicht arrangiert, und ein paar wenige haben es zu Wohlstand und Glück geschafft.
Einer von ihnen ist das Herz, die Seele und der Motor der Wiedergutmachungsinitiative: Guido Fluri, selbst ehemals ein Heimkind im Kinderheim Mümliswil, hat es offenbar zu grossem materiellem Wohlstand gebracht. Und dabei seine eigene Geschichte und Herkunft nicht vergessen. Seine eigene Geschichte hat ihn nicht verbittern lassen und er ist kein Zyniker geworden. Man hätte ihm das nicht einmal übel nehmen können. Er hat vielmehr das vormalige Kinderheim Mümliswil gekauft und zu einer Gedenkstätte für Verdingkinder und Heimkinder gemacht. Guido Fluri hat die Interessen der Betroffenen gebündelt und die Lancierung der Initiative in die Wege geleitet. Er hat mit viel Herzblut und Engagement die Unterschriftensammlung forciert und in allen politischen Lagern Verbündete gesucht und gefunden. In allen politischen Lagern!
Das ist beachtlich. Ich kann mir keine schönere Weihnachtsgeschichte vorstellen: Ein Geldsack mit Herz vereinigt sonst verbissene politische Gegner für eine gemeinsame gute Sache.
Das ist ein gutes Omen für das kommende Jahr! Ich wünsche Ihnen allen wunderschöne Weihnachten, ein tolles 2015 und der Wiedergutmachungsinitiative zu gegebener Zeit Ihre Unterstützung.
«Mit einem Ja zur Initiative könnte endlich ein klein wenig Gerechtigkeit hergestellt werden.»
Quelle: Solothurner Zeitung vom 23. Dezember 2014