Unternehmenssteuerreformgesetz III

Die Unternehmenssteuerreform III ist ein Grossprojekt, das die interessierte Öffentlichkeit eigentlich seit Jahren umtreibt. In der Verwaltung arbeitet man seit 2005 an dieser Grossbaustelle. Auf den Punkt gebracht, geht es eigentlich darum, bei Gesellschaften mit kantonalem Steuerstatus bezüglich der kantonalen Steuern Steuerprivilegien zu beseitigen. Es geht also nicht um eine Entlastung der Wirtschaft, sondern um die Beseitigung von Steuerprivilegien. Das wird von der OECD, der G-20 und insbesondere auch der EU gefordert. Die Schweiz hat sich zu entsprechenden Anpassungen verpflichtet, z. B. mit der EU in einer gemeinsamen Erklärung vom 14. Oktober 2014. Ohne diese Anpassungen sind Retorsionsmassnahmen zu befürchten, schwarze oder graue Listen oder Sachen, die wir eigentlich aus der Vergangenheit bereits kennen und die wir nicht wieder haben möchten.
Bei einer rein statischen Betrachtungsweise wäre das Problem schnell gelöst. Die Steuern der bisher privilegierten Gesellschaften würden einfach auf das Niveau der ordentlich besteuerten Gesellschaften gehoben, und der Steuerfranken würde in den Kantonen fröhlich sprudeln. Beim Bund würde sich in diesem statischen Modell nichts ändern. Die andere Extremvariante wäre, dass die Steuern der bisher normal besteuerten juristischen Personen auf das Niveau der privilegiert besteuerten Gesellschaften gesenkt würden. Für die Kantone wäre das in unterschiedlichem Ausmass ruinös.
Zieht man eine dynamische Betrachtungsweise in Betracht, müsste man allerdings davon ausgehen, dass bei der ersten Variante ein grosser Teil der hochmobilen Gesellschaften unser Land wohl verlassen würden und dass keine neuen Gesellschaften in die Schweiz kämen. Das würde sich sowohl auf die Kantone als auch auf den Bund fatal auswirken. Bei der zweiten Variante, also bei einer Senkung der Unternehmenssteuern auf das privilegierte Niveau, müsste entweder das Leistungsniveau der Kantone brutal beschnitten oder die Steuern für natürliche Personen müssten ebenso drastisch erhöht werden. Beides wäre Gift für die Standortattraktivität und beides wäre offensichtlich politisch völlig nicht durchsetzbar.
Damit wir uns von der Grössenordnung eine Vorstellung machen können, erwähne ich ein paar Zahlen aus der Botschaft des Bundesrates: Die kumulierten Gewinnsteuereinnahmen der Kantone betragen rund 10 Milliarden Franken. Davon entfallen 2,1 Milliarden Franken oder 21 Prozent auf Statusgesellschaften. Der Anteil der Statusgesellschaften an den gesamten Gewinnsteuern variiert je nach Kanton zwischen 1,1 Prozent, Kanton Wallis, und 56 Prozent, Kanton Basel-Stadt; das sind wie gesagt Zahlen aus der Botschaft. Das Steueraufkommen des Bundes aus kantonalen Statusgesellschaften beträgt im Durchschnitt für die Jahre 2009-2011 rund 3,2 Milliarden Franken, ohne Kantonsanteil, und dies bei Gesamtsteuereinnahmen aus der Unternehmensbesteuerung von rund 6,5 Milliarden Franken. Das heisst also, dass fast die Hälfte aus Statusgesellschaften fliesst.
Mit anderen Worten: Rund 40 Prozent des Gesamtsteueraufkommens von Statusgesellschaften entfallen auf die Kantone, rund 60 Prozent auf den Bund. Allein aufgrund dieser Grössenverhältnisse sehen Sie, dass die Unternehmenssteuerreform III ein Eingriff am offenen Herzen des Steuersystems ist. Der Eingriff muss deshalb mit grösster Sorgfalt und mit Augenmass erfolgen.
Beim Grossprojekt Unternehmenssteuerreformgesetz III geht es erstens darum, der internationalen Kritik Rechnung zu tragen und internationale Akzeptanz herzustellen und somit Schaden für unser Land abzuwehren, der durch Retorsionsmassnahmen entstehen könnte. Zweitens geht es darum, eine international kompetitive Unternehmenssteuerbelastung zu bewahren und damit eine Flucht hochmobiler Steuerpflichtiger zu verhindern bzw. dafür zu sorgen, dass die Schweiz auch in Zukunft ein attraktiver Standort für zuziehende Unternehmen bleibt. Drittens soll bei alledem die Ergiebigkeit der Unternehmenssteuer für Bund, Kantone und Gemeinden gesichert werden können. Das sagt sich so einfach; in der Umsetzung ist es ziemlich kompliziert. Wenn wir diese drei Ziele erreichen wollen, ist das nicht nur die Quadratur des Kreises, sondern die Kubatur der Kugel, was noch um eine Dimension komplizierter ist.
Der Bundesrat hat sich deshalb in exemplarisch enger Zusammenarbeit mit den Kantonen an dieses Projekt gemacht. Er hat ein sehr grosses Spektrum möglicher Massnahmen ins Auge gefasst und in die Vernehmlassung geschickt. Aufgrund der Vernehmlassung hat der Bundesrat dann mit Botschaft vom 5. Juni 2015 eine abgespeckte Version an das Parlament verabschiedet.
Ich fasse die wichtigsten Eckwerte des bundesrätlichen Entwurfs zusammen: Erstens sollen die kantonalen Steuerstatus für Holding- und für Verwaltungsgesellschaften abgeschafft werden. Zweitens wird eine Patentbox eingeführt; in der Vernehmlassung hiess sie noch Lizenzbox, damit war eigentlich das Gleiche gemeint. Drittens sollen die Kantone fakultativ zusätzliche Steuerabzüge für Forschung und Entwicklung einführen können. Viertens werden Anpassungen bei der kantonalen Kapitalsteuer vorgenommen. Fünftens soll die Aufdeckung stiller Reserven auf Bundes- und Kantonsebene einheitlich definiert und ausgestaltet werden; eine solche Aufdeckung kennen einige Kantone jetzt schon, aber sie wird zum Teil sehr unterschiedlich gehandhabt. Sechstens soll die Emissionsabgabe auf Eigenkapital beseitigt werden, obwohl in Zusammenhang mit dieser Unternehmenssteuerreform eigentlich kein zwingender Grund dazu besteht. Die Aufnahme dieses Punktes erfolgte, wie uns die Frau Bundesrätin gesagt hat, aus Gründen der politischen Redlichkeit: weil der Bundesrat das seinerzeit in Aussicht gestellt habe, nicht zuletzt auch dem Ständerat. Ich glaube sagen zu können, dass sich die Begeisterung des Bundesrates in Grenzen hält; es war quasi ein Versprechen an das Parlament.
Siebtens soll die Entlastung beim Teilbesteuerungsverfahren im Umfang von 30 Prozent erfolgen, und zwar sowohl auf Bundes- als auch auf Kantonsebene. Die damit verbundene Voraussetzung einer 10-Prozent-Beteiligung wurde aufgrund der Vernehmlassung beibehalten, obwohl Vorbehalte des Bundesgerichtes im Raum stehen.
Achtens soll als für den Bund zentrale Massnahme eine Erhöhung des Kantonsanteils an der direkten Bundessteuer auf 20,5 Pprozent vorgenommen werden. Damit sollen Gewinnsteuerreduktionen in den Kantonen ermöglicht und mitfinanziert werden. Die Erhöhung auf 20,5 Prozent macht für den Bund rund eine Milliarde Franken aus, ist also nicht nichts.
Um Härtefälle aufzufangen, sollen mit der Einführung der Unternehmenssteuerreform III beim Finanzausgleich befristete Ergänzungsbeiträge von jährlich 180 Millionen Franken eingeplant werden, befristet auf sieben Jahre, quasi analog zum Härteausgleich beim NFA. Es müssen dann die entsprechenden technischen Anpassungen beim Ressourcenausgleich vorgenommen werden. Ich verzichte jetzt darauf, auf die technischen Details wie den ersten und den zweiten Zeta-Faktor einzugehen. Falls jemand interessiert ist, kann er für die technische Spezifikationen gerne am Ende der Sitzung zu mir kommen. Sonst hat man eigentlich beschlossen, die Hände vom NFA zu lassen, denn die Vermischung einer Unternehmenssteuerreform III mit einer NFA-Modifikation hätte die Komplexität des Geschäftes wahrscheinlich allzu sehr erhöht. Deshalb hat man gesagt: Wir tragen mit dieser neuen Besteuerung einfach den für das System notwendigen Änderungen der mobilen Gesellschaften Rechnung – alles andere lassen wir sein und machen es dann im Rahmen des nächsten Wirksamkeitsberichtes.
Auf die Einführung einer zinsbereinigten Gewinnsteuer auf dem Sicherheitseigenkapital wurde verzichtet. Das angepasste Modell, wie es nach der Vernehmlassung noch im Raume stand, würde bei Kantonen zu Mindereinnahmen von 250 bis 300 Millionen Franken und beim Bund zu solchen von etwa 300 Millionen Franken führen. Das schien dem Bundesrat zu viel oder zu ambitiös. Durch diese Mindereinnahmen bei den Kantonen wäre auch das Gleichgewicht gestört worden, da hätte man den Wagen also wahrscheinlich ziemlich überladen.
Bei Beteiligungsabzug und Verlustverrechnung vorgeschlagene Änderungen wurden nicht eingeführt; in der Vernehmlassung waren diese Ideen nicht allzu gut aufgenommen worden. Ebenso verzichtete man aufgrund der Vernehmlassungsergebnisse auf die Besteuerung von Kapitalgewinnen.
Nach der Vernehmlassung sind noch verschiedene Kantone vorstellig geworden: Es solle eine „tonnage tax“ eingeführt werden. Aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken wurde allerdings darauf verzichtet. Für den Bund resultieren aus der Vorlage vom 5. Juni, so wie sie in die Kommission gekommen ist, Mehrausgaben von deutlich über 1 Milliarde Franken – in der Botschaft ist von 1,3 Milliarden Franken die Rede; etwa 1 Milliarde hat man in die Finanzplanung eingestellt. Das ist an sich ein stolzer Preis, wenn man sich überlegt, dass es eigentlich eben darum geht, ein Steuerprivileg zu beseitigen. Die Beseitigung von Privilegien sollte hier ja eigentlich in der Regel nicht noch sehr viel Geld kosten. Man hat das hier gemacht, um diese Kubatur der Kugel vornehmen zu können, aber einfach dass man sich das vor Augen hält: Die ganze Geschichte kostet den Bund deutlich über 1 Milliarde Franken.
Das war die Ausgangslage, so ist das Geschäft in die vorberatende Kommission gekommen.
Die Kommission hat sich dann an den Sitzungen vom 25./26. Juni, 27./28. August, 22./23. Oktober sowie vom 19. November während insgesamt etwa 15 oder 16 Stunden sehr intensiv mit der Vorlage auseinandergesetzt. Anlässlich der ersten beiden Sitzungen sind breite Anhörungen durchgeführt worden. Dabei ist man vonseiten der Finanzdirektoren insgesamt in einer Fünferdelegation aufmarschiert, die Städte und Gemeinden sind in einer Viererdelegation gekommen, die Wirtschaftsverbände – ich zähle die Gewerkschaften auch zu den Wirtschaftsverbänden – in einer Achterdelegation. In einer Folgesitzung ist dann noch die Wissenschaft in Dreierdelegation aufgetreten.
Nach Abschluss der Anhörung und nach relativ kurzer Eintretensdebatte ist die Kommission ohne Gegenantrag auf die Vorlage eingetreten. Sie hat sich dann eben an den zahlreichen Sitzungen an die Detailberatung gemacht. Auf die materiellen Ergebnisse der Detailberatung gehe ich jetzt nicht ein, diese werden nachher bei unserer Detailberatung erläutert werden können.
Noch zur Stimmungslage in der Kommission: Die Beratungen in der Kommission erinnerten hin und wieder an ein steuerrechtliches Seminar für Fortgeschrittene, und zwar fortgeschrittene Praktiker. Hochkomplexe Sachverhalte wurden diskutiert und auf ihre Auswirkungen hier analysiert, aber zum Glück fand dann die Kommission immer wieder auf den profanen Grund des steuerpolitisch vermeintlich Möglichen und des finanzpolitisch vermeintlich Tragbaren zurück.
Sie hat schlussendlich ein Paket geschnürt, das sie am 19. November in der Gesamtabstimmung mit 4 zu 1 Stimmen bei 7 Enthaltungen an den Rat überwiesen hat. Um ehrlich zu sein, war auch ich als Präsident von diesem Abstimmungsergebnis ein bisschen überrascht. Sie können diesem Ergebnis entnehmen, dass sich die Begeisterung hüben wie drüben in engen Grenzen gehalten hat. Diversen Wünschen aus den unterschiedlichen Lagern konnte nicht Rechnung getragen werden. Die Kommission hat nämlich versucht, mit unterschiedlichen Mehrheiten einen pragmatischen, finanziell einigermassen tragbaren und vor allem auch referendumstauglichen Weg zu finden. Ob ihr das gelungen ist, steht im Raum.
Die Kommission präsentiert Ihnen jetzt ein einigermassen austariertes Paket. Ich gehe davon aus, dass wir daran nicht allzu viel ändern sollten. Sie sehen aus dem Ergebnis, dass es ein ziemlich fragiles Gleichgewicht ist, und wenn wir hier zu stark herumdoktern, könnte dieses Gleichgewicht gestört werden. Lassen Sie sich nicht von möglichen Mehrheiten hier im Rat oder drüben im Nationalrat täuschen! Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieses Paket dereinst durch das Stahlbad der Referendumsabstimmung gehen müssen – dann nützt es nichts, wenn Sie natürliche Mehrheiten im Parlament hinter sich haben, dies den Leuten aber nicht erklären können. Es wird nämlich schwierig sein, den Stimmübergerinnen und Stimmbürgern zu erklären, dass wir die Wirtschaft allein vonseiten des Bundes um deutlich über eine Milliarden Franken entlasten und dann gleichzeitig bei Bund, den Kantonen und den Gemeinden schmerzhafte Pakete schnüren müssen. Für die Kantone wird das noch einmal eine Herkulesaufgabe. In meinem Kanton spricht man von Ausfällen im Umfang von 50 bis 60 Millionen Franken auf Kantonsebene und von 60 bis 70 Millionen Franken für die Gemeinden. Das sind Zahlen, die einem Finanzdirektor den Schlaf rauben können.
Wenn es ums Masshalten geht, erinnere ich Sie an das seinerzeitige Steuerpaket von Herrn Bundesrat Villiger. Ich war damals Mitglied des Nationalrates, und ich erinnere mich, wie Bundesrat Villiger das Parlament beschworen hat, das Fuder ja nicht zu überladen, weil es mit diesem Paket schlussendlich in der Referendumgsabstimmung schiefgehen könnte. Das ist dann auch tatsächlich so passiert. Ich hoffe sehr, dass uns das dieses Mal erspart bleibt.
Ich bitte Sie deshalb namens der Kommission, auf die Vorlage einzutreten und den Anträgen der Kommission zuzustimmen.
Weil es technisch gelegentlich wirklich sehr komplex wird, habe ich für mich zwei Orientierungshilfen definiert. Wenn ich nicht genau wusste, was da technisch wohl das Klügste wäre, habe ich immer gefragt: Was heisst das für die Bundes- und für die Kantonskassen? Das war für mich ein entscheidender Orientierungspunkt. Wenn das steuerrechtliche Dickicht allzu dicht wurde, habe ich mich an die Finanzministerin gehalten: Sie hat den Pfad immer gefunden. Man ist eigentlich gut beraten, wenn man sich an die Finanzministerin hält.
In diesem Sinn bitte ich Sie im Namen der Kommission noch einmal, auf das Geschäft einzutreten und in der Detailberatung den jeweiligen Mehrheitsanträgen der Kommission zu folgen.