Lieber eine etwas holprige Verfassung und glückliche Kühe

Gemäss Tierschutzgesetz darf niemand die Würde eines Tieres missachten. Sie wird insbesondere dann missachtet, wenn dem Tier Schmerzen zugefügt werden und tiefgreifend in sein Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen wird. Dass das Ausglühen der Hornanlagen Schmerzen verursacht, versteht sich von selbst. Gemäss neusten Forschungsergebnissen halten die Schmerzen über Monate an. Es sind sogar lebenslange Phantomschmerzen möglich.


Eine Kuh ohne Hörner ist wie ein Elefant ohne Rüssel, eine Giraffe mit kurzem Hals oder ein Krokodil mit Schmollmund. In das Erscheinungsbild einer Kuh wird durch Enthornung sehr stark eingegriffen. Was jeder Kuhhirt längst weiss, haben nun auch Veterinärwissenschafter nachgewiesen: Mit ihren Hörnern machen Kühe ihre Rangordnung aus, und organisieren so ihr Sozialleben. Ohne Hörner kommt es zu wesentlich härteren Rangkämpfen. Das Enthornen verursacht grosse, lang anhaltende Schmerzen, verändert das Erscheinungsbild massiv und beeinträchtigt die Fähigkeit zur sozialen Organisation der Herde. Eigentlich müsste das Enthornen nach Tierschutzgesetz verboten werden. Das will die Hornkuhinitiative mit Blick auf den Agrarfrieden ausdrücklich nicht.

Sie will bloss tiergerechtes Verhalten belohnen. So wie es Verfassung und Landwirtschaftsgesetzgebung schon lange fordern. Die entsprechenden Mittel sollen im Landwirtschaftskredit kompensiert werden. Bedauerlicherweise hatten weder das zuständige Bundesamt oder Departement noch das Parlament Verständnis für die berechtigte und absolut systemkonforme Forderung der Initianten. Sämtliche Instanzen haben das Begehren schnöde abgeschmettert. So blieb dem Bergbauer Armin Capaul nur noch das Notwehrrecht der kleinen Leute: Die Verfassungsinitiative!

Wenn nun Verfassungsästheten finden, eine Hornkuhzulage gehöre nicht in die Verfassung, mag das nicht gänzlich falsch sein. Dann hätten die Verfassungsästheten aber im parlamentarischen Prozess zu einer eleganteren Lösung Hand bieten müssen. Diese Chance haben sie verpasst. Ich habe lieber einen etwas holprigen Verfassungstext und glückliche, stolze Kühe als eine elegante Verfassung und malträtierte, würdelose Kühe. Deshalb sage ich Ja zur Hornkuh-Initiative!

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One thought on “Lieber eine etwas holprige Verfassung und glückliche Kühe”

  1. andreas gross sagt:

    Mit der Gesetzesinitiative hätte man die holprige Verfassung verhindern können. Doch die gleichen, die damit heute gegen die HKI argumentieren, waren vor Jahren jene, welche die Gesetzesinitiative verhindert haben.