«Ein unpolitisches Leben? – das ist unvorstellbar!»

„Ich habe mir den Entscheid aber tatsächlich gut überlegt und habe im Vorfeld auch viele Gespräche mit den verschiedensten Leuten geführt.“
Sie verkünden Ihre Kandidatur am 64. Geburtstag. Andere gehen in diesem Alter in Pension. Sie wollen vier weitere Jahre in den Ständerat. Ein Plädoyer für das Rentenalter 67?
Roberto Zanetti: Nein, keineswegs. Es ist ein Plädoyer für ein flexibles Rentenalter. Ich habe mir den Entscheid aber tatsächlich gut überlegt und habe im Vorfeld auch viele Gespräche mit den verschiedensten Leuten geführt. Niemand hat mir von einer erneuten Kandidatur abgeraten.
Vielleicht ja nur aus purem Anstand und Zurückhaltung?
Nein, das glaube ich nicht. So gut kennen mich die Leute – und so gut kenne ich sie.
Sind denn neun Jahre im «Stöckli» nicht genug?
Ich fühle mich fit und verspüre noch immer grosse Lust auf die Politik und die spannende Arbeit im Ständerat. Bei politischen Ämtern finde ich drei Legislaturperioden, also 12 Jahre, durchaus in Ordnung.
Liest man den Text, in dem Sie Ihre erneute Kandidatur ankünden, könnte man meinen, dass es ohne Sie nicht geht in Bern.
Haben Sie diesen Eindruck? Nein, so ist das nicht gemeint. Natürlich würde es ohne mich auch weitergehen – es geht ohne jeden weiter. Die Welt dreht sich immer weiter. Aber es käme möglicherweise anders heraus ohne eine starke SP-Vertretung in der kleinen Kammer. Denn dort ist die starke Präsenz der SP wichtig, damit der Ständerat auch weiterhin soziale und ökologische Kahlschläge des Nationalrates verhindern oder korrigieren kann.
Oder können Sie etwa gar nicht sein ohne die Politik?
Ich kann mir ein unpolitisches Leben nicht vorstellen. Aber ein Leben ohne politische Verpflichtungen schon.
Böse Zungen sagen, es gehe Ihnen auch um die finanziellen Vorteile des Ständeratsmandates …
Das könnte man jedem vorwerfen. Ehrlich gesagt: Vor vier Jahren hätte ich finanziell ein echtes Problem gehabt, wenn ich abgewählt worden wäre. Aber heute, mit 64 – nach den nächsten Wahlen gar 65 – bin ich in einer völlig anderen Lage.
Es geht auch um Machterhalt: Ohne Ihre Wiederkandidatur ist die Gefahr grösser, dass die SP Solothurn den Stöckli-Sitz verlieren könnte.
In den Gesprächen mit der Kantonalpartei sind wir zum Schluss gekommen, dass die Wahrscheinlichkeit, den SP-Sitz zu halten, ohne Vakanz am grössten ist. Aber «sichere Wahlen» gibt es eh nicht. Das habe ich selber auch schon erlebt.
Letztlich ist es doch auch so, dass die Solothurner SP ein «Nachfolgerproblem» hat?
Es gibt sehr wohl valable Leute in der SP. Doch in der heutigen Konstellation kamen wir einhellig zum Schluss, dass das Verlustrisiko bei einer Wiederkandidatur am kleinsten ist.
Dann wird sich die Ablösungs-Problematik in vier Jahren erst recht stellen. Wollen Sie dann gleich noch einmal antreten?
An einer Hochzeitsfeier fragt man weder nach dem Scheidungsdatum noch nach dem Termin der nächsten Heirat. Im Ernst: Die Partei ist nun gefordert, mögliche Nachfolgekandidaturen aufzubauen. Dabei wird auf die Majorzfähigkeit zu achten sein. Gefragt sind SP-Leute, die sich zuvor schon in Mehrheitswahlen gegen bürgerliche Kandidaten haben durchsetzen können: Gemeindepräsidenten, Regierungsräte, dann aber auch mehrheitsfähige Kantons- oder Nationalräte.
Auch die CVP dürfte ihren Ständerat, Pirmin Bischof, erneut ins Rennen schicken: Wie funktioniert in Bern bei «Solothurner Fragen» die Zusammenarbeit mit ihm?
Sehr gut. Wir sprechen uns im konkreten Fall immer ab. Wir ziehen am gleichen Strick in dieselbe Richtung, wenns drauf ankommt.
Kampfkandidaturen der grossen bürgerlichen Parteien FDP und SVP sind zu erwarten: Mit welchem Szenario rechnen Sie?
Es liegt nahe, dass FDP und SVP mit Kampfkandidaturen antreten werden. Klar ist: Ständeratswahlen, bei denen man im Schlafwagen ins Stöckli einfahren kann, wird es sicher nicht geben. So gesehen dürfte im nächsten Herbst der Entscheid wohl erst in einem zweiten Wahlgang fallen.
Und warum sollen die Solothurnerinnen und Solothurner dann wieder Sie wählen?
Die Wählerinnen und Wähler wissen, was sie an mir haben: Ich bin einigermassen berechenbar, habe langjährige Erfahrungen, bin gut vernetzt im Ständerat und im übrigen Bundesbern. Und ich kann im Ständerat helfen, ein Gegengewicht zur mitunter nicht besonders konstruktiven Politik des Nationalrates zu bilden.
Quellen
Text: Solothurn Zeitung online
Bild: © michelluethi.ch